Hexengift
damit sie auf die Uhr an der Unterseite des Handgelenks sehen konnte. Sie schnaubte. »Rondeau!«
Er arbeitete sich gerade durch Huschs Bücherregale, in denen sich, neben etwas seriöseren Werken, erstaunlich viele Erotika befanden. »Wir müssen los. Wir haben ein Meeting.« Eigentlich blieb bis dahin noch genügend Zeit, aber Marla hatte bereits genug vom Landleben.
»Tatsächlich?«, meinte Husch. »Mit wem triffst du dich denn?«
»Es ist ein Neuer in der Stadt. Ich spiele mit dem Gedanken, ihn anzuheuern.« Mehr wollte sie nicht sagen. Geheimniskrämerei gehörte ohnehin zu ihren Angewohnheiten, und die Existenz dieses möglichen Neuzugangs war ganz besonders vertraulich. Bis jetzt wusste keiner der anderen Magier in der Stadt, dass dieser atemberaubend gutaussehende junge Mann überhaupt existierte, und das sollte auch so bleiben. Husch machte Anstalten, weiter nachzufragen - sie war von Natur aus neugierig -, aber Rondeau schnitt ihr das Wort ab.
»Hey!«, rief er und wedelte mit einem dünnen Büchlein mit rotem Einband. »Kann ich das mal ausleihen?«
Husch zog die Augenbrauen hoch. »Das ist eine Faksimileausgabe pornographischer Schriften von Anaïs Nin. Von denen gibt es nur ganz wenige.« Sie riss es ihm aus der Hand. »Nein, das kannst du nicht ausleihen. Geh doch ins
Internet. Sogar für einen wie dich müsste es da genügend Pornographie geben.«
Rondeau grinste. »Als wir miteinander ausgegangen sind, hast du mir gesagt, ich sollte mich ein bisschen intellektueller geben. Ich versuche nur, dem Folge zu leisten.«
»Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dich als Idiot bezeichnet«, erwiderte Husch. »Das ist nicht ganz dasselbe.«
»Na, aus euch beiden kann ja noch was werden«, meinte Marla trocken. »Und jetzt lass uns hier verschwinden.«
2
Auf dem Weg zurück nach Felport fuhr Rondeau deutlich langsamer; er schien es zu genießen, wie die winterliche Landschaft an ihnen vorbeizog, die kahlen, schneebedeckten Felder, die zugefrorenen Teiche und die vom Raureif glitzernden Bäume. Die Hauptstraße, die zurück in die Stadt führte, war größtenteils geräumt; auf beiden Seiten der Fahrbahn türmten sich riesige Schneehaufen auf, viel sauberer als die in Marlas Stadt mit ihrem hässlichen Autoabgas-Braun oder Stiefelabdruck-Schwarz. Bei Gott, wie sie Felport vermisste, und dabei war sie nur einen Vormittag weg gewesen. Hier draußen, unter freiem Himmel, schlug Marlas Phobie vor offenen, weiten Flächen voll durch. Sie vermisste die Geborgenheit der Häuserschluchten und Maschendrahtzäune. Ihr Trip aufs Land war zwar keine Zeitverschwendung gewesen, trotzdem war er ein Ärgernis, und sie hatte jede Menge zu tun. Sie musste zusehen, dass sie sich wieder ins Geschehen stürzte.
»Rondeau, wenn wir wieder zuhause sind, musst du sofort
Langford anrufen.Vielleicht fällt ihm etwas ein, wie wir Genevieve aufspüren können.«
»Warum nicht Gregor?«, entgegnete Rondeau. »Er ist der Mann für Omen und Vorzeichen, oder etwa nicht? Könnte er sie nicht einfach mit Faden, Senkblei und Landkarte auspendeln oder so was?«
»Scheiß auf Gregor. Seit einer Woche ruft er nicht zurück. Außerdem geht er mir seit Jahren auf die Nerven, und ich möchte ihm nicht auch noch einen Gefallen schuldig sein. Ich erwarte ihn bei dem anstehenden Treffen mit den anderen VIPs, bei dem Susan Wellstones Besitz aufgeteilt wird. Wenn ich ihn heute um Hilfe bitte, muss ich ihn nächste Woche vielleicht ganz besonders beschenken. Ich weiß, dass er ein Auge auf Susans Penthouse geworfen hat und auf das Mietshaus darunter auch.« Susan war eine der prominentesten Magierinnen von Felport gewesen, doch letzten Monat war sie nach San Francisco umgezogen, um einen hohen Posten in der Führungsclique der dortigen Magier-Unterwelt zu übernehmen. Ihre Immobilien und Geschäftsanteile in Felport mussten jetzt unter den anderen wichtigen Magiern aufgeteilt werden. Und als Anführerin des ganzen Haufens war es natürlich an Marla, die Verteilung durchzuführen, was bedeutete, dass ihr bald eine Menge Leute etwas schulden würden, während sie eine ganze Menge anderer Leute ernsthaft gegen sich aufbringen würde, weil sie ihnen nicht geben konnte, was sie wollten. Susan lachte sich einstweilen wahrscheinlich halb tot darüber. Sie war nicht gerade eine von Marlas Freundinnen gewesen.
»Susans Penthouse würde gut zu mir passen«, meinte Rondeau fröhlich.
Marla schnaubte nur. »Das Gebäude ist voller Sprengfallen, und ich
Weitere Kostenlose Bücher