Hexengold
Ansätze ihrer Brüste. Die alabasterweiße Haut war seidig und gepflegt. Zufrieden drehte sich Adelaide einmal um die eigene Achse. Der rotblaue Damastrock, für den sie sich nach längerem Überlegen entschieden hatte, schimmerte durch den Faltenwurf mal heller, mal dunkler, was ihm einen besonderen Reiz verlieh. Um die schlanke Taille band sie einen breiten, goldenen Gürtel. Kurz lupfte sie den weit ausgestellten Rock und prüfte den Zustand der zierlichen Schuhe, die über dem Spann eine üppige Seidenschleife zierte.
Vinzent begriff den verdeckten Hinweis und lächelte spöttisch: »Keine Widerrede: Wir gehen zu Fuß! Die frische Luft wird uns guttun. Du spazierst doch sonst so gern über den Römer. Vergiss nicht, wer uns um diese Uhrzeit begegnen und dein prächtiges Gewand bewundern kann.«
Adelaide warf ihm aus ihren dunkelbraunen Augen einen abschätzigen Blick zu. Sie wusste selbst, welch eindrucksvolle Erscheinung sie war. Nicht allein ihre stattliche Größe, auch die tiefschwarzen Haare, die sie an den Schläfen zu Lockentuffs arrangiert hatte, sowie die reine, gepflegte Haut und die rot geschminkten Lippen zogen die Blicke an. Glücklicherweise war Vinzent nicht weniger ansehnlich, auch wenn er die aufsehenerregenden neuen Rheingrafenhosen mit den vielen Schluppen und Falten zu ihrem größten Bedauern noch vehement ablehnte. Insgeheim musste sie sich jedoch eingestehen, dass die mäßig weiten Kniebundhosen besser zu seinen kräftigen Waden passten. Seit er die Stulpenstiefel beiseitegestellt hatte und Schnallenschuhe bevorzugte, galt es, diesen Umstand stärker zu berücksichtigen. Sie rückte ihm die Halskrause über dem Wams zurecht und schnupperte an ihm. Er roch verführerisch nach Rosen. Sie schmunzelte und reichte ihm den schwarzen Spitzhut. Lächelnd schüttelte er die hellbraunen Haare zurück, setzte den Hut auf und bot ihr den Arm. Gern schmiegte sie ihre schlanke Taille an seinen Leib. Auch nach den vielen Ehejahren tat es gut, seine Nähe zu spüren.
Seite an Seite betraten sie die Sandgasse. An der Ecke zur Neuen Kräme trat ihnen ein Bauernmädchen mit einem Korb Blumen entgegen. Schüchtern bot sie einen bunten Strauß Astern an. »Warum nicht?« Übermütig kramte Vinzent viel zu viele Münzen aus seiner Tasche und nahm die Blumen. »Magdalena wird ihre Freude daran haben.«
»Meinst du?« Zweifelnd zog Adelaide die rechte Augenbraue hoch. »Auf mich wirkte sie nicht wie eine leidenschaftliche Hausfrau. Ist sie nicht Wundärztin im Tross der Kaiserlichen gewesen?«
Erstaunt runzelte Vinzent die Stirn. »Ich dachte, du magst sie und freust dich, endlich jemand Gleichgesinnten in deiner Nähe zu wissen?«
»Was hat das eine mit dem anderen zu tun?« Erneut hakte sie sich unter und zwang ihn zum Weitergehen. Huldvoll lächelnd grüßte sie nach allen Seiten. Vinzent hatte recht gehabt: Kurz vor der Vesper war halb Frankfurt auf den Straßen um Römer und Markt unterwegs. Wie gut, dass sie den neuen Rock trug.
Pünktlich zum Beginn des Abendläutens erreichten sie den Domplatz. Die Marktfrauen packten ihre Körbe, die Händler verräumten die Auslagen ihrer Buden. Einige findige Burschen kauften für einen Spottpreis die Reste der Tagesware auf. Handwerker zogen vorbei, schleppten Werkzeuge und Materialien heimwärts. Laufburschen trugen die letzten Nachrichten aus, Mägde und Hausfrauen riefen nach umherstreunenden Kindern. Einen Trupp alter Weiber zog es in die Abendmesse von Sankt Bartholomäus. Reich gekleidete Bürgersfrauen flanierten Arm in Arm mit ihren Gatten vorbei. Wie Adelaide und Vinzent waren sie unterwegs, Besuche abzustatten.
»Gleich werden wir Erics Frau endlich näher kennenlernen und uns selbst ein Bild von ihren Vorzügen machen«, nahm Vinzent das unterbrochene Gespräch wieder auf, als sie zum Garküchenplatz gelangten. »Bislang wissen wir leider viel zu wenig von ihr. Ganz gleich, ob sie Wundärztin gewesen ist oder als brave Hausfrau ihr Glück findet: Sie ist unsere Base. Als Familienzuwachs ist sie uns jederzeit herzlich willkommen.«
Für einen Moment spitzte Adelaide die roten Lippen. Wieder rutschte ihre Augenbraue hoch, dann entspannten sich ihre Gesichtszüge. »Es freut mich zu hören, wie bereitwillig du sie in unsere Familie aufnimmst.«
»Warum nicht?« Vinzent blickte Adelaide fragend an. Als sie nichts antwortete, ging er kopfschüttelnd weiter. »Eins zumindest ist gewiss: Magdalena wird uns viel zu erzählen haben. Schließlich ist sie
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