Hexengold
der Stadt, strahlte aber dennoch weder Enge noch Bedrängnis aus. Selbst der Schatten des mächtigen Doms im Westen rückte dank des auslaufenden Garküchenplatzes nicht zu nah an das Anwesen heran. Golden spiegelte sich die Nachmittagssonne auf den blank geputzten Fensterscheiben der oberen Geschosse. Hauswände und Tor wirkten sauber geschrubbt, die Gasse davor war ordentlich gefegt und bar jeglichen Unkrauts. Einige Bauersfrauen kauerten mit ihren Huckelkiezen an der Straßenecke und boten Äpfel, Birnen und Kräuter feil. Schon kam ein bärtiger Mann aus dem Hoftor und scheuchte sie fort. Im nächsten Moment entdeckte er den Wagen und winkte.
Magdalena rutschte auf dem schmalen Kutschbock nach vorn. Drei Stockwerke mit jeweils zwei großen Fenstern nach Süden zählte sie. Ein hoher Stufengiebel fand sich Richtung Osten. Direkt darunter vermutete sie weitere Kammern oder zumindest einen großen Speicher, der sich bestimmt als Trockenboden für Kräuter sowie als Lagerraum für Mineralien und sonstige Utensilien eignete, die sie für ihre Rezepturen benötigte. Lächelnd lehnte sie sich zurück. Unbeabsichtigt hatte Eric ihr mit dem Haus einen großen Gefallen getan: Es war wie dafür geschaffen, ihre Tätigkeit als Wundärztin wieder aufzunehmen.
»Zufrieden?« Eric nahm die Zügel locker in die linke Hand und legte den rechten Arm um ihre Schultern. »Endlich ein Zuhause, endlich ein eigenes Dach über dem Kopf! Dort wirst du uns ein gemütliches Nest einrichten. Jetzt, da wir richtig verheiratet sind, ist es Zeit, mehr Kinder in die Welt zu setzen und eine große Familie zu gründen! Als tüchtige Hausfrau wirst du prächtig für uns sorgen. Für immer und ewig können wir in diesem Haus miteinander leben. Davon habe ich all die Jahre geträumt.« Er hauchte ihr einen Kuss auf den Kopf, schnalzte mit der Zunge und trieb die Braunen wieder an.
Magdalena versteifte sich. So schnell, wie sie aufgeflammt war, erlosch ihre Freude an dem neuen Heim. Ihre eigenen Wünsche spielten für Erics Zukunftspläne keine Rolle. Dabei wusste er, wovon sie seit jeher träumte. Bei ihrer Heirat vor zwei Wochen auf Bertas Hof hatten sie erst wieder darüber gesprochen. Es schmeckte bitter, sich einzugestehen, dass er sie nach all den Jahren weiterhin verkannte. Sie rückte von ihm ab, schlang das leichte Wolltuch enger um die Brust und schob die Hände unter die angewinkelten Arme. Noch besaß die milde Herbstsonne ausreichend Kraft, angenehm zu wärmen. Trotzdem fröstelte sie, brachte es aber nicht mehr über sich, sich wieder eng an Erics Schulter zu schmiegen. Steif verharrte sie neben ihm auf dem Wagen, während sie gemächlich auf ihr neues Heim zuzockelten. Eric schien ihren Stimmungswandel nicht zu bemerken.
»Die warten schon auf uns!« Die fünfjährige Carlotta sprang auf und zeigte aufgeregt zum Hoftor. Eine Handvoll Leute hatte sich dort aufgereiht und sah ihnen entgegen. Die Kleine wollte nicht mehr stillhalten und trippelte auf dem Kutschbock umher. Es kostete Magdalena Kraft, ihre Tochter festzuhalten.
»Schau nur, das Gesinde hat sich für uns versammelt.« Die Aufregung des Kindes steckte Eric an. In diesem Moment erfüllte sich sein Lebenstraum. Mit stolzgeschwellter Brust kutschierte er sie ans Ziel.
Magdalena schalt sich innerlich für ihre Unfähigkeit, das neue Glück in vollen Zügen zu genießen. Besser würde sie es nie mehr im Leben treffen, durchzuckte es sie. Trotzdem kam keine Freude in ihr auf.
»Vorsicht!«, rief Eric und lenkte das Gefährt durch das enge Hoftor. Die Kisten auf dem hoch beladenen Wagen schwankten gefährlich. Sofort sprang der kräftige Mann mit dem dunklen Bart zu Hilfe, griff geschickt ins Zaumzeug und brachte die beiden Braunen rechtzeitig zum Stehen.
»Herzlich willkommen!« Eine kleine, rundliche Frau mit roten Apfelbäckchen trat nach vorn und verneigte sich ehrerbietig. Ihre hellen Augen glänzten, als Carlotta flink von dem hohen Wagen sprang. Geschwind folgte Magdalena der Kleinen nach, insgeheim darauf bedacht, Eric zuvorzukommen, damit er nicht auf die Idee verfiel, sie vom Wagen herunterzuheben.
Daran dachte er jedoch nicht im Geringsten. Breitbeinig stand er bereits auf der Schwelle zur Diele. Den spitzen Hut in der Hand, leuchtete sein rotblonder Haarschopf im Sonnenlicht. Selbst auf die Entfernung mehrerer Schritte nahm Magdalena das Strahlen seiner blauen Augen wahr. Um die Mundwinkel huschte das wohlbekannte Zucken. Auf einmal wirkte er nicht mehr wie der
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