Hexengold
wurde flehentlich, sie senkte den Blick und sprach leise weiter. »Ich wollte dir weder die Laune verderben noch etwas Böses unterstellen. Es ist einfach das untätige Herumsitzen auf Bertas Hof, das mich allmählich in den Wahnsinn treibt. Du bist immerzu unterwegs und erlebst die aufregendsten Dinge, ich aber hocke da und warte, spiele mit Carlotta und schaue dem Unkraut beim Wachsen zu. Kein Wunder, dass mir dabei die unsinnigsten Gedanken kommen!« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang ihm die Arme um den Hals. Fest drückte sie den zierlichen Leib gegen seine breite Brust. »Bitte, sei mir wieder gut, Liebster! Du hast recht, es gibt keine Geheimnisse zwischen uns. Ich weiß auch nicht, warum mir das vorhin rausgerutscht ist. Meine Angst, dich noch einmal zu verlieren, ist einfach zu groß. Ein weiteres Mal überstehe ich das nicht. Es war die Hölle, nicht zu wissen, wo du steckst, was du treibst. Die Angst, ob du überhaupt noch am Leben bist.«
Tränen traten ihr in die Augen, und sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Sie spürte, wie versteift er war. Die Finger ihrer rechten Hand glitten um den Bernstein auf ihrer Brust, der unter dem Mieder verborgen war. Sie hoffte, das Pfand ihrer Liebe würde sie vor neuem Unheil bewahren.
Es dauerte, bis Eric sich aus der Starre löste. »Da ist nichts zu verzeihen.« Er löste ihre Arme sanft von seinem Hals und schob sie ein Stück von sich fort. Ein warmer Sonnenstrahl traf ihr Haupt. Das Haar leuchtete kupferfarben, die smaragdgrünen Augen schimmerten feucht. Mit klopfendem Herzen sah sie zu ihm auf. Endlich fuhr er fort: »Ich hätte mir denken können, dass du auf törichte Gedanken kommst, wenn du allein auf Bertas Hof bleibst. Sesshaft zu werden, musst du wohl erst noch lernen. Dabei ist es keine Kunst, an ein und demselben Ort ein zufriedenes und ausgefülltes Leben zu führen. So viele Menschen tun das. Seit zwei Jahren schon herrscht Frieden im Land. Höchste Zeit, dass auch wir das Umherziehen beenden und uns einen Platz suchen, an dem wir die Früchte unserer Arbeit in Ruhe genießen.«
Er legte ihr den Arm um die Schultern und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Willig gab sie sich der Zärtlichkeit hin. Wenigstens liebte er sie noch immer so leidenschaftlich wie am ersten Tag ihrer Beziehung. Das war das Wichtigste. Alles andere musste dahinter zurücktreten.
Eng aneinandergeschmiegt verließen sie den Vorplatz des Kaiserdoms. Ganz Frankfurt hatte sich in einen riesigen Messeplatz verwandelt. In sämtlichen Winkeln der Stadt präsentierten Händler und Kaufleute aus aller Herren Länder ihre Waren. Der Geruch vertrauter Kräuter mischte sich mit dem Odem exotischer Gewürze, es duftete nach röschen Backwaren und knusprig gebratenen Spanferkeln. Von einer anderen Ecke zog der Geruch nach gegerbtem Leder, gefärbten Stoffen und frisch gehobeltem Holz herüber. Überall entlang des Mainufers, auf dem Römerberg, der Neuen Kräme, dem Liebfrauenberg sowie auf Heu- und Rossmarkt wurde gefeilscht und geschachert. Die patrouillierenden Büttel hatten alle Hände voll zu tun, über Qualität und Preis streitende Kampfhähne voneinander zu trennen. Zwischendrin erklangen immer wieder Aufschreie: »Haltet den Dieb!«, »Ergreift die windigen Betrüger!« Gelegentlich sah man, wie ein Langfinger flink wie ein Kaninchen Haken schlug, um den wütenden Verfolgern zu entkommen.
Die Läden der Einheimischen hatten ihre Pforten weit geöffnet. In Höfen und Hauseingängen priesen Handwerker ihre Erzeugnisse an. Dazwischen zeigten Gaukler und Spielleute halsbrecherische Kunststücke, selbst englische Komödianten boten ihr Können dar. Venezianische Theaterleute umtanzten Magdalena und Eric. Einer bot Eric seine phantasievolle Maske zum Kauf an. »Die würde gut zu dir passen.« Magdalena war begeistert von der verschmitzten Grimasse, Eric aber schob den Spielmann brüsk beiseite. »Ich brauche keine Maske. Ich habe nichts zu verbergen.«
»Es war doch nur ein Spaß!« Rasch zog sie ihn zur nächsten Ecke, wo ein Bauernmädchen bunte Gebinde aus Astern, Veilchen und Vergissmeinnicht anpries. Hinter ihr streckte ein altes Weib Sträuße mit Heilkräutern in die Höhe. Beglückt sog Magdalena den Duft von Rosmarin, Thymian und Salbei ein. Eric erspähte unterdessen einen Bäckerjungen und erstand einen ofenwarmen Schmalzkringel. »Das macht wenigstens satt!«, erklärte er und stopfte Magdalena ein Stück des Gebäcks in den Mund. Seine gute Laune
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