Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
wurde. Und hier, in den deutschen Landen?«
»Bis jetzt über vierhundert«, gab Bruder Heinrich finster zur Antwort, »glaube ich jedenfalls. Ich habe ein wenig den Überblick verloren.« Er langte nach dem Stock und stampfte mit ihm wütend auf den Boden. Leicht spritzte der Sand auf. »Wenn man nichts sucht, wird man auch nichts finden. Wenn wir schon dabei sind – ich habe es nicht vergessen, ich meine die Sache in Boppard. Wohin ist dieses liederliche Weib mit ihrem schändlichen Mann entkommen?«
»In Sicherheit!«, antwortete Leonhard ausweichend.
Neben ihm stand ein schlaksiger junger Kerl mit hellen grüngrauen Augen, der die Auseinandersetzung wortlos verfolgte. Reinhard war ihm vom Prior Vanckel als Novize erst vor kurzer Zeit zugeteilt worden war.
»Was ist aus dem Henker geworden?«, platzte der Junge heraus. Leonhard warf dem Burschen einen ärgerlichen Blick zu. Bruder Heinrichs Augen wurden lauernd.
»Was weißt du davon?«
»Äh … nichts … äh … halt nur, was man so gehört hat«, wand er sich nun verlegen und biss sich auf die Unterlippe.
»Was hat man gehört?«, fragte Institoris scharf.
»Na ja, das, was so an Gerüchten umging«, antwortete Leonhard für ihn.
»Ich bin mir auch heute noch gewiss, Ihr und Bruder Niklas hattet da eure Finger im Spiel, auch wenn der Henker energisch seine Beihilfe bestritten hat und man ihm nichts beweisen konnte. Gerne hätte ich etwas gegen Euch unternommen, wenn ich gekonnt hätte!«
Bruder Heinrich starrte ihn ohne Wimpernschlag an, wie er es immer tat, wenn er jemanden in Verlegenheit bringen oder demütigen wollte.
Leonhard hielt seinem Blick stand und glaubte dann, nicht richtig zu sehen. Um Heinrichs Mundwinkel spielte plötzlich der Anflug eines Lächelns. Nicht böse, gemein oder hinterhältig. Nein, es war zwar ein kurzes, aber ein heiteres, beinahe lustiges und gutmütiges Lächeln.
»In Kurtrier hatten wir in kurzer Zeit über dreißig Hinrichtungen. Vom Henker Diebold habe ich in Mainz gehört, er sei dort von einem anderen Henker angezeigt worden, weil er diesen als Mörder beschimpft habe!«
Leonhard konnte nicht anders und musste auch für einen Moment schmunzeln, während Reinhard der Schreck über seine Vorwitzigkeit immer noch in den Knochen steckte.
Es war aber nur ein kleines Aufblitzen gewesen und Bruder Heinrichs matte Augen hatten sofort wieder ihren kalten, eisigen Ausdruck angenommen.
»Ja, ich hätte viel darum gegeben, wenn sie Euch erwischt und wegen Beihilfe zur Flucht angeklagt hätten!«
»Warum habt Ihr denn im Orden keine Maßnahmen gegen uns gefordert?«
Institoris tat so, als ob er die Frage nicht gehört hätte.
»Ich sage es Euch, warum. Dazu hättet ihr Euch an Sprenger wenden müssen!«
»Sprenger!«, schnaubte er verächtlich. Er wollte aufspringen, sank dann aber mit einem Ächzen zurück auf die Bank, wo er dann unbeweglich sitzen blieb.
»Jawohl, Bruder Jakob Sprenger. Im Grunde genommen war er immer Euer großes Vorbild, von dem Ihr aber gewusst habt, dass Ihr es niemals erreichen werdet. Dafür aber hasst Ihr ihn. Immer wenn Ihr versucht habt, eine seiner Ideen nachzuahmen oder ihn gar zu übertreffen, seid Ihr kläglich gescheitert. Wie beispielsweise mit Eurer Bruderschaft gegen die Hexen. Während Sprengers Rosenkranzbruderschaft im gesamten deutschsprachigen Raum mit Begeisterung aufgenommen wurde und immer noch gewaltigen Zulauf hat, wurden Euch in Rom gerade einmal höchstens hundert Mitglieder bewilligt. Aber selbst nicht einmal die habt Ihr zusammenbekommen!«
»Ihr habt keine Ahnung!«, schrie Heinrich aufgebracht, »was wäre Sprenger ohne mich! Durch mich und den Hexenhammer ist er erst richtig bekannt geworden und wird zusammen mit mir immer noch berühmter! Er sollte …«
»Bruder Jakob würde sicher liebend gerne auf diese mehr als zweifelhafte Ehre verzichten. Eitel und ruhmsüchtig wie Ihr schon immer wart, ging es Euch nur darum, Euren Namen nach vorne zu spielen. Warum habt Ihr denn sonst in Nürnberg in der Druckerei erzählt, Ihr seiet der alleinige Verfasser? Wir kommen gerade von dort, daher wissen wir es. Aber selbst das werdet Ihr nicht schaffen. Schon jetzt wird Sprenger vielfach als maßgeblicher Autor angesehen und auf seinem Namen lastet die Schande, deren Ruhm Ihr Euch für den Euren so gewünscht habt. Lieber Bruder Heinrich, Ihr habt den Fehler gemacht, Sprengers Ansehen zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Es war ein bisschen zu viel, Approbatio, Apologia
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