Hexenjagd in Lerchenbach
schnellte hoch. „Fräulein
Götze! Den Rettungsdienst! Bitte, rufen Sie an! Und den Arzt, falls es hier
einen gibt. Tarzan, faß mit an!“
„Was ist mit meinem Sohn?“ brüllte der
Alte. „Ihr habt ihn vergiftet. Das war euer Plan und...“
„Ruhe!“ brüllte Glockner ihn an.
Tarzan, der einen Erste-Hilfe-Kurs
mitgemacht hatte, kniete bereits neben Harry. Verkrümmt lag der ehemalige
Häftling auf dem Teppich. Er war bei Bewußtsein, würgte aber, als hätte man ihm
durch den Hals einen Schlauch in den Magen geschoben. Er schwitzte, wimmerte,
knirschte zwischendurch mit den Zähnen und hielt sich den Leib.
„Ähhh... ist... ähhh... mir... errrghhh...
übel!!! Gift... bestimmt. Muß ich... errrghhh... jetzt sterben?“
„Bestimmt nicht!“ beruhigte Tarzan ihn.
„Gleich ist der Arzt hier.“
Er prüfte Harrys Puls. Der schlug
kräftig und regelmäßig. Lebensgefährlich war die Sache offenbar nicht.
Glockner, der sich jetzt ebenfalls über
ihn beugte, tauschte mit Tarzan einen Blick. Tarzan verstand. Simuliert (eine
Krankheit vortäuschen) der etwa nur? hieß das.
„Ich glaube nicht“, antwortete Tarzan
auf die stumme Frage. „Sonst wäre er der Schauspieler des Jahres.“
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Glockners
Gesicht. Ihm imponierte, wie rasch Tarzan begriff.
Gaby, Karl und Klößchen hätten gern
geholfen. Aber es gab keine Möglichkeit. Max saß mit stupidem Gesicht auf
seinem Stuhl und schien sich — da er sich jetzt unbeobachtet fühlte — mehr für
Gabys Anblick denn für seinen Bruder zu interessieren. Der Alte schimpfte
unentwegt. Aber keiner hörte ihm zu. Helga kam vom Telefon zurück und sagte,
der Arzt wäre gleich hier und der Rettungsdienst unterwegs.
Harrys Zustand schien sich zu festigen.
Er röchelte zwar immer noch und konnte nicht aufstehen, verlangte aber ein Glas
Wasser.
Der Arzt, der eher wie ein Metzger
aussah, traf ein, untersuchte Harry, meinte: „Du wirst es überleben!“ und
spritzte ihm irgendwas in den Oberarm. Das Mittel half jedoch nicht. Harry
röchelte und winselte weiter, bis die beiden Sanitäter vom Rettungsdienst mit
ihrer Trage hereinstürmten. Sie luden ihn auf und ab ging’s mit Blaulicht und
Sirene zum nächsten Krankenhaus. Versteht sich, daß der alte Jocher und Max mit
ihrem Mercedes hinterher preschten.
Für Helga, den TKKG, Glockner und
Montag begann jetzt ein Rätselraten.
„Du hattest tatsächlich recht, Tarzan.“
Glockner sammelte die Briefumschläge ein. „Zumindest bei den drei ersten war
die Gummierung vergiftet. Die und alle andern werden untersucht. Dann wissen
wir mehr. Wie bist du darauf gekommen?“
„Eigentlich nur, weil Harry Jocher
unentwegt zum Sekretär schielte. Jetzt meine ich: Das war Zufall. Der war so
unsicher und beschämt, daß er einfach nicht wußte, wen er ansehen sollte. Aber
weil Sie von Kontaktgift sprachen, dachte ich mir: Der Klebstoff auf den
Umschlägen ist doch eine ideale Möglichkeit, um Gift anzubringen.“
„Du hast im Trüben gefischt und ins
Schwarze getroffen“, schmunzelte der Kommissar. „Aber Harry Jocher — davon bin
ich überzeugt — hat von dem Gift nichts gewußt. Ich glaube nicht, daß er das
Risiko eingegangen wäre, nur um uns von seiner Unschuld zu überzeugen. Aber er
ist der Einbrecher! Wenn er das Gift nicht angebracht hat, wer dann?“
Niemand antwortete sofort.
Dann sagte Tarzan: „Vielleicht war Max
beteiligt. Und der hat’s ohne Harrys Wissen gemacht, während Harry die
Terrarien zerschlug.“
„Hm.“ Glockner wiegte den Kopf.
„Keine besonders gute Theorie“, nickte
Tarzan. „Denn daß Max so einen Anschlag für sich behalten hätte — das ist doch
sehr unwahrscheinlich.“
Alle überlegten. Tarzan ging mit
gesenktem Kopf auf und ab, näherte sich dem Fenster und sah hinaus.
Gemächlich rollte in diesem Moment ein
Motorradfahrer an dem parkenden Polizeiwagen vorbei. Er saß auf einer schweren
Maschine japanischen Fabrikats und war ganz in schwarzes Leder gekleidet. Vor
dem Gesicht hatte er eine Motorradbrille, und er trug einen roten Helm.
Er fuhr bis zum Ende der Straße,
wendete vor dem Feldweg, kam zurück und blickte aufmerksam zum Haus.
Schwarzes Leder! Roter Helm! Tarzan
spürte förmlich, wie in seinem Hirn etwas KLICK! machte. Er beugte sich vor und
sah das Nummernschild an der Maschine. Ein Kennzeichen aus der Stadt. Er lief
zum Schreibsekretär und notierte das Kennzeichen auf einem Zettel.
„Es gibt wohl nur eine
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