Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
ausgewechselt sei. Bramante habe ihm dann preisgegeben weshalb, Carlo habe eine neue Liebschaft, aber nicht mit einer Jungfer, sondern mit dem jungen Architekten Rudolfo Saltari.
"Demnach war sein Versuch mit Jungfern ein Fehlschlag", folgerte Lucia, wozu Leonardo bemerkte:
"Si, Signa, und momentan wähnt er sich glücklich. Doch in Liebesangelegenheiten wird er wohl sein Lebtag einem Scheinglück nachjagen. Beruflich dagegen prophezeie ich ihm eine gute Zukunft. Zwar wird er, wegen seines fehlenden Maltalents, wohl nie ein eingetragener Artista, doch dafür mit Sicherheit mal ein angesehener Architekt, denn auf diesen Gebieten ist er begabt. Sehr sogar."
Lucias Gedanken konnten sich nicht von Carlo lösen, und bald sprach sie aus, was sie bewegte: "Wenn ich daran denke, wie sehr mich oft seine Launen, die mitunter stunden-, ja tagelang angehalten haben, aufgebracht haben, verstehe ich nicht, dass ich diesen Burschen noch heute vermisse."
"Ich verstehe das schon Signa. Weil er andererseits ein solch einfühlsamer und hilfsbereiter Mensch ist, wie man kaum einen zweiten findet. Man muss ihn einfach mögen."
Unterdessen waren Lucia und Leonardo gegen die Anstandsregel bis in den Park geraten, kehrten deshalb jetzt um und spazierten über einen anderen Weg wieder zurück. Dabei gelangten sie bald in die Rosenarkaden, an denen sie erfreut Blütenknospen entdeckten, die bereits aufzuspringen begannen. Doch so sehr Leonardo dieser Bogengang auch gefiel, sie verweilten nicht darin, sondern gingen näher zum Haus. Erst als der Garten lichter wurde, nahmen sie gut sichtbar auf einer Bank Platz, denn sehen sollte man sie vom Haus aus sehr wohl, hören dagegen nicht.
Dort unterbreitete Leonardo ihr nun einen Vorschlag, der, wie er begann, mit ihrer Ernennungsurkunde zusammenhing und der Bernardino, Giovanni und ihn Monde lange Gedanken gekostet hätten. Der Ausgangspunkt sei ihre seelenstarke Malweise gewesen. Kurzum, er schlug ihr vor, hier eine Zweigstelle seiner Bottega einzurichten, in der sich ausschließlich Künstlerinnen betätigen sollten. Man könnte diese Zweigstelle Signa-Atelier nennen.
Nun sah er sie mit einem Blick an, der verriet, dass er mit trotzigem Widerspruch rechnete. Da sie jedoch stumm blieb, fuhr er fort: "Für diesen Zweck brauchtest du diese Urkunde, Signa, und zwei Kunstmalerinnen hättest du bereits, Donna de Zeno und meine Mutter, auch wenn meine Mutter nicht hierher ziehen kann. Aber der Verkauf eurer Gemälde sollte ohnehin über unsere Mailänder Bottega laufen, haben wir uns gedacht und alle unter der Bezeichnung 'Signa'."
"Oh, oh, das würde Schwierigkeiten ergeben, weil mich, den jungen Signa, mehrere Kunsthändler in deiner Werkstatt an der Staffelei haben sitzen sehen", wandte sie ein, er jedoch meinte:
"Umso besser doch, so würde unter den Experten bekannt werden, dass du unser Garzone warst oder unsere Garzona, ganz wie du wolltest. Ich wäre sogar dafür, wir machten aus deinem Geschlecht ein Geheimnis. Damit wären wir erstens alle diesbezüglichen Probleme los, und zweitens wirken Geheimnisse Geschäfts fördernd."
"Bist doch ein Schlaukopf, habe ich schon immer gesagt. Aber ich bin gerührt, wie viele Gedanken und Mühen ihr euch darum gemacht habt, und grundsätzlich bin ich geneigt, eurer Idee zuzustimmen. Denn ich bedaure ebenso wie du die Einseitigkeit in unserer Kultur, es fehlen die weiblichen Elemente."
"Richtig, und deshalb ist sie nur halb so viel wert", ergänzte er, "ich habe das seit jeher als Kultursünde bezeichnet. Ist doch eine Schande, dass man das Wirken der Kunstmalerinnen auf Handteller kleine Miniaturbilder und bestenfalls auf ein wenig größere Blumenbilder beschränkt. Normale Gemälde von weiblicher Hand, so bewundernswert sie oft sind, werden von Kunsthändlern nur arrogant belächelt." Nun neigte er ihr seinen Kopf leicht entgegen: "Signa, natürlich brauchst du Zeit für diese Entscheidung, zumal es etliches zu bedenken gibt. Ich denke nur an die Schnatterpeck-Künstler unten in der Stadt, die wir ja nicht verärgern wollen. Deshalb sollten wir uns heute nicht mehr mit diesem Thema beschäftigen, si?"
"Si, lass mir etwas Zeit."
Als hätte er Flügel an den Füssen, durchstreifte der schier an allem interessierte Leonardo in den folgenden Tagen die Umgebung, die Stadt, das Werk, das Anwesen und das Herrenhaus. Er sprach mit diesem und jenem, erfuhr vieles und erteilte ebenso viele Ratschläge, die jeder gerne annahm, nicht ahnend, dass sie von einem Genie
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