Hexenlicht
eindeutig, auf eine Conan-der-Barbar-Art.
Holly wehrte eine fliegende Dichtkittpistole mit ihrer Taschenlampe ab und huschte so schnell sie konnte zu dem nächsten Körper, wobei sie sich duckte, um dem Werkzeugregen auszuweichen. Auch der zweite war nicht Ben. Der junge Mann sah blass aus, hatte blaue Lippen und eine schrumpelige Haut, als hätte er zu lange in der Badewanne gelegen, aber er lebte, sehr zur Freude Hollys.
»Hey. Hey!« Sie packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn, doch er rührte sich nicht, lag einfach nur mit halboffenem Mund da.
In kurzen flachen Stößen rang er nach Sauerstoff. Holly berührte seinen Hals, wo sie einen schwachen Puls fühlte. Er war viel zu kalt. Noch lebte er, aber er brauchte dringend einen Arzt.
Die Feuchtigkeit, die der Schleim hinterließ, trocknete fast sofort, und das kastanienbraune Haar des Mannes wirkte stachelig verklebt. So musste jemand aussehen, über den eine ganze Horde irrer Friseure mit Geltuben hergefallen war.
»Keine Angst, wir bringen Sie hier raus!«, flüsterte Holly ihm ins Ohr. Dann packte sie seine Handgelenke und zog ihn zur Tür, weiter weg von dem Schleim. Als Nächstes wandte sie sich der Gestalt unter dem Fenster zu. Wie es aussah, hatte sie versucht herauszukommen, aber das Fenster klemmte. Der Schleim über dem Körper wurde dicker. Glänzend schwarze Wellen rollten auf ihn zu. Anscheinend begriff das Haus, was Holly tat, und beeilte sich, sie aufzuhalten.
Etwas knallte hart in ihren Rücken und fiel polternd herunter. Der Hieb warf Holly auf die Knie, während ihr Tränen in die Augen schossen. Sie blickte sich um und sah die rote Werkzeugkiste leer auf dem Boden hinter sich.
Verflucht!
»Holly, alles okay?«
Als sie zu Alessandro aufschaute, kapierte sie, wieso das Haus die Kiste geworfen hatte. Es waren keine Werkzeuge mehr übrig, denn Alessandro hatte sie alle gefangen und in seine riesigen Manteltaschen gesteckt.
»Ja.«
Wenigstens war es keine Bohrmaschine
. Morgen dürfte sie einen dicken blauen Flecken haben.
Holly holte tief Luft und vergaß alles bis auf den Körper unter dem Fenster. Im Moment glich er einer unförmigen Masse, sämtliche Konturen im dunklen Brei vergraben. Holly bündelte abermals ihre Kräfte, tauchte ganz tief in sich hinein und hielt ihre Hand über die Schwärze zwischen sich und dem Fenster. Dann ließ sie die Energie fließen. Der Schleim zog sich zurück, so dass sie zwei Schritte vorwärtsgehen konnte. Dort wiederholte sie die Prozedur. Ihre Fingerspitzen brannten von der Hitze ihrer freigesetzten Energie.
Rollend und wabernd wich die Masse von dem zusammengesunkenen Leib. Seine Haut war totenblass, aber noch unberührt, erkennbar. Es war Ben.
»Gütige Hekate!« Holly machte einen Satz nach vorn und umfasste sein Gesicht. Ihr Herz wummerte so heftig, dass sie es auf ihren Lippen fühlte.
Sei bitte nicht verletzt! Ich tue alles, wenn du nur okay bist!
Er zitterte und war klebrig. Das braune Haar haftete ihm dicht am Kopf. »Ben!«
Flatternd öffnete er die Lider. Seine Augen waren nicht leuchtend grün wie Hollys, sondern grünbraun wie eine Steppenlandschaft im Frühling. Anscheinend konnte er sie nicht richtig erkennen. Vor Erschöpfung wirkte er älter, nicht wie ein Mann in den Dreißigern. Seine Jeans und die Jeansjacke waren durchnässt von fauliger Brühe.
»Holly?«, hauchte er schwach. Dann verschränkte er seine Arme, als wollte er festhalten, was ihm noch an Körperwärme geblieben war.
Sie küsste ihn auf die Schläfe, wo sie seinen seifigen, sauberen Eigenduft unter dem Gammelgestank des Hauses roch. Was sie nun sagte, kam aus tiefstem Herzen. »Ich bin hier, Ben. Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen. Ich lasse dich doch nicht im Stich!«
»Oh Gott, danke!«, flüsterte er.
»Holly!«, brüllte Alessandro, der auf sie zugeflogen kam.
Der kurze Moment der Ablenkung hatte gereicht, dass der schwarze Fluss um sie herumkroch und hinter ihr aufblubberte. Als Holly sich umdrehte, streckten sich Schleimfinger nach ihr und packten ihr Bein. Eisige Kälte umfing ihren Knöchel. Vor Schreck schrie sie auf und zuckte zurück, konnte sich jedoch nicht dem betäubenden Griff entwinden.
Alessandro landete hinter ihr, hob Ben mit einer Hand hoch und schwang ihn in eine sichere, trockene Ecke des Bodens. Als Nächstes packte er Hollys Arm, aber sie war in dem Schleim gefangen. Das Haus hatte, was es wollte, und war nicht willens, sie wieder freizugeben.
Die Kälte drang
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