Hexenopfer
Watson durch den Kakao zogen, verstärkte das Problem nur. Dallas hatte das schon einmal erlebt – eine Stadt, die in Panik ausbrach, wenn die Kompetenz ihrer ortsansässigen Polizeikräfte in Frage gestellt wurde. Der Cherokee Pointe Herald und der Fernseh- und Radiosender WMMK, beides im Besitz der Familie MacKinnon, berichteten dank der Feindseligkeit zwischen Jacob und Brian MacKinnon weiterhin einseitig über die Ereignisse. Doch ohne Wissen der Medien war in der vergangenen Woche ein gewisser Fortschritt bei der Lösung der Mordfälle erzielt worden. Mit einer Sondereinheit vor Ort und der offiziellen wie auch inoffiziellen Beteiligung des FBI, das mit lokalen und bundesstaatlichen Strafverfolgungsbehörden verknüpft war, hatten sie jetzt eine gestraffte Liste von Verdächtigen, die sie zu dem Mörder hinführen könnte.
Weder Matt Newton, der Reporter, den Jacob umgehauen hatte, noch MacKinnon-Media hatten ein Gerichtsverfahren gegen Jacob angestrengt oder Anzeige wegen Körperverletzung gestellt. Dallas ging davon aus, dass Newton alles tun würde, was die MacKinnons ihm auftrugen, und Brian MacKinnon machte es Spaß, Jacob zappeln zu lassen. Dallas hielt MacKinnon für den Typ, der Freude daran hatte, mit einem Mann zu spielen, von dem er glaubte, ihn in der Gewalt zu haben.
Die Mehrheit der öffentlichen Meinung blieb noch immer auf Jacobs Seite, obwohl sich die Medien gründlich über die lokalen Polizeikräfte hermachten. Man mochte und vertraute Jacob Butler, Brian MacKinnon hingegen war weder beliebt noch vertrauenswürdig. Dallas bekam allerdings nicht heraus, ob MacKinnon, wenn er Jacob schon absichtlich angriff, tatsächlich in Genny verliebt war.
Dallas legte die Füße auf den Rand von Jacobs Schreibtisch, lehnte sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. Seit seiner Ankunft in Cherokee County hatte er nicht gut geschlafen. Zu viel geschah zu schnell, um Zeit mit acht Stunden Nachtschlaf zu verschwenden. Verdammt, er würde sich mit fünf Stunden abfinden. Sobald der Mörder gefasst war, könnte er sich ausruhen.
Das erste Täterprofil, das Linc Hughes ihnen vor sechs Tagen gefaxt hatte, bestätigte Dallas in seiner Überzeugung, dass einer ihrer ursprünglichen vier Verdächtigen der Serienmörder war, der Brooke und die drei Frauen aus Cherokee County umgebracht hatte. Obwohl kein anderer Beweis gegen einen der Männer vorlag, hatten sie auch keine weiteren Verdächtigen.
Gestern noch hatte Teri bei Dallas angerufen, um ihm ihre letzten Erkenntnisse aus den fünf Morden in Hilton Head durchzugeben, die anderthalb Jahre vor den Morden in Mobile verübt worden waren. Ihre Resultate hatten die Verdächtigen auf drei Personen beschränkt – das heißt, falls sie auf der richtigen Fährte waren. Sollten sie auf dem Holzweg sein, möge ihnen der Himmel beistehen, denn nur eine höhere Gewalt konnte dann die letzten beiden Opfer retten.
»Dillon Carson hat zur Zeit der fünf Morde bei einem Dinner-Theater in Savannah gearbeitet«, hatte Teri gesagt. »Von dort aus fährt man mit dem Auto eine Dreiviertelstunde nach Hilton Head.«
Royce Pierpont war in einem Antiquitätengeschäft in Charleston beschäftigt, anderthalb Fahrstunden von Hilton Head entfernt. Und Jamie Upton hatte das Frühjahr damals mit Freunden in Hilton Head verbracht, Golf gespielt, geangelt, war Kajak gefahren und zweimal wegen Trunkenheit und Ordnungswidrigkeiten aufgegriffen worden. Reverend Stowe und seine Frau hatten zur Zeit der Morde in Whiteville, North Carolina, gewohnt. Bei der Entfernung zwischen den beiden Städten war es unwahrscheinlich, dass Haden Stowe bei diesen fünf Morden der Täter gewesen war. Unwahrscheinlich, aber durchaus noch im Bereich des Möglichen. Da ihnen die Zeit davonlief, waren Jacob und Dallas übereingekommen, sich auf Carson, Pierpont und Upton zu konzentrieren, die wahrscheinlichsten Verdächtigen. Auf jeden traf das Täterprofil zu, das Linc erstellt hatte.
Carson und Pierpont hatten bereitwillig mitgearbeitet, als Jacob sie zur Vernehmung vorlud, doch beide hatten kein Alibi für die Zeit der ersten beiden Morde in Cherokee County, nur für den dritten. Beide hatten an Jerry Lee Todds Verbrecherjagd an jenem Morgen teilgenommen, und Dutzende anderer Männer konnten das bestätigen. Doch Dallas wusste, dass in Anbetracht der Geisteshaltung dieser vom Bürgermeister zusammengestellten Gruppe niemand hundertprozentig sicher sein konnte, wann sich ein bestimmter Mann dem Trupp
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