Hexenopfer
wie die andere.«
»Wir hatten mit beiden nichts zu tun. Das weißt du.«
Haden nickte.
Esther behielt den Sheriff im Blick, der das Gebäude verließ. Mit Chief Watson wurde sie fertig. Der Mann war ein Idiot. Aber Jacob Butler war ein anderes Kaliber. Der Sheriff könnte ihr gefährlich werden. Man musste ihn im Auge behalten. Sehr genau.
6
Genny wurde langsam und träge wach, fühlte sich sicher und geborgen. Ein paar Augenblicke vergingen, bevor ihr einfiel, was passiert war. Als die Erinnerung kam, erfüllte sie eine tiefe, schwere Traurigkeit. Sie hatte wieder eine Vision gehabt. Eine gestern im Morgengrauen, und eine zweite heute Morgen bei Tagesanbruch. Beide Male hatte sie gespürt, was der Mörder tun würde. Gestern hatte sie sein Verbrechen sogar mit angesehen. Heute hatte sie nur die Leiche der Frau auf dem Altar gesehen und die freudige Erregung des Mannes gespürt. Oh Gott, die arme Frau war inzwischen wahrscheinlich tot. Diesmal hatte Genny eine Vorwarnung erhalten, aber die hatte sie viel zu spät erreicht, um diesem zweiten Opfer zu helfen.
Die Morgensonne erhellte das Schlafzimmer und verriet Genny, dass sie stundenlang geschlafen hatte. Sie schaute sich im Raum um und erblickte Dallas Sloan, der auf dem Sessel in der Ecke schlief. Drudwyn hatte sich auf dem Läufer daneben zusammengerollt. Eigenartig, wie ihr Hund mit dem starken Beschützerdrang diesen Mann angenommen hatte, als spürte auch er, dass Dallas vertrauenswürdig war. Als sie aufstand und ihre nackten Füße den Boden berührten, hob Drudwyn den Kopf und schaute sie an. Sie legte den Finger auf die Lippen. Drudwyn gab ein verkümmertes Jaulen von sich. Dallas riss die Augen auf, und sein Blick verband sich mit Gennys.
»Guten Morgen«, sagte sie und griff nach ihrem Morgenmantel am Fußende des Bettes.
Als sich Dallas aufrichtete, rutschte die weiße Häkeldecke von seinen Schultern bis auf die Taille und entblößte seine muskulöse Brust.
»Ist wieder alles in Ordnung?«, fragte er.
Sie nickte, schlang den Gürtel des langen rosa Morgenmantels aus Chenille um ihre Taille und band ihn zu.
Nachdem Dallas die Häkeldecke beiseitegelegt hatte, stand er auf und reckte sich. »Ich wollte nicht einschlafen. War wohl erschöpft.«
»Dann haben Sie die Telefone nicht überprüft?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid.«
Genny nahm den Telefonhörer aus der Basisstation auf ihrem Nachttisch und hielt ihn ans Ohr. »Noch immer kein Freizeichen.« Sie trat ans Fenster, zog den Vorhang auf, befestigte ihn an einer Klammer am Fensterrahmen und schaute hinaus. »Der Tag ist wunderschön. Vielleicht taut etwas von dem Schnee in der Sonne. Heute Nachmittag sollte es möglich sein, in die Stadt zu kommen, wenn die Schneepflüge es bis hier herauf schaffen.«
Ohne auf einen Kommentar von Dallas zu warten, gab sie Drudwyn ein Zeichen. »Zeit, nach draußen zu gehen, mein Junge.« Ihr Blick fiel auf Dallas. »Wie klingen Pfannkuchen mit Ahornsirup zum Frühstück?«
»Köstlich«, erwiderte er. »Aber bitte machen Sie sich meinetwegen keine Umstände. Für gewöhnlich trinke ich nur schnell eine Tasse Kaffee, bevor ich morgens aufbreche.«
»Duschen Sie doch, während ich Drudwyn rauslasse und mit dem Frühstück anfange. Ich habe einen Gasboiler für heißes Wasser, also werden Sie jede Menge warmes Wasser haben, auch wenn der Strom ausgefallen ist.«
»Das klingt gut.«
»Tut mir leid, dass ich nichts zum Wechseln für Sie habe, aber ich glaube nicht, dass Ihnen meine Sachen passen, und als Jacob letztes Jahr in die Stadt zog, hat er seine Kleidung mitgenommen.«
»Ich komme schon klar.«
»Na gut. Wenn Sie mit dem Duschen fertig sind, finden Sie mich in der Küche.«
Obwohl sie sich von Dallas wie von einem mächtigen Magneten angezogen fühlte, riss sie sich mit Gewalt von seinem Anblick los. Als sie durch das Haus zur Küche ging, Drudwyn dicht auf den Fersen, dachte sie über die merkwürdigen Gefühle nach, die Dallas Sloan in ihr weckte. Vom ersten Augenblick an, als sie am gestrigen Abend die Tür für ihn öffnete, hatte sie gewusst, dass er dazu ausersehen war, ihr wichtig zu werden. Als Freund? Als Liebhaber? Oder einfach nur als ein Instrumentarium für einen Wandel in ihrem Leben? Sie war sich nicht sicher. Sie wusste nur, dass ihr Schicksal mit dem großen blonden Fremden verknüpft war.
Als sie die Hintertür öffnete, schoss Drudwyn hinaus auf die Veranda und von dort in den Schnee. Schaudernd machte sie
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