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Hexenopfer

Titel: Hexenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverly Barton
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Und ich bin nicht verrückt. Ich trage diese Gabe in mir. Oder diesen Fluch. Wie Sie wollen. Es gibt Zeiten, da täte ich alles dafür, normal zu sein. Einfach so zu sein wie jeder andere.«
    Dallas streckte die Arme aus, packte sie an den Schultern und riss sie auf die Füße. »Ich kann den Quatsch nicht glauben. So einen Blödsinn zu glauben, geht mir gegen den Strich.« Nachdem er sie abrupt losgelassen hatte, drehte er sich um und lief auf und ab, blieb dann abrupt stehen und richtete den Blick wieder auf sie. »Ich gebe ja zu, dass Sie anders sind als die Frauen, die ich bisher gekannt habe. Sie haben etwas Besonderes an sich, aber … Wir wollen es einfach vergessen, ja? Ich war ein Narr, heute Abend herzukommen, und ein noch größerer, anzunehmen …«
    Mitten im Satz verstummte er, schaute sie scharf an und verließ das Zimmer. Genny holte tief Luft. Lass ihm Zeit, sagte sie sich. Er kämpft gegen Gefühle an, die er nicht versteht.
    Er versteht mich nicht!
    Als Genny hinter Dallas herkam, traf sie ihn in der Diele dabei an, seinen Mantel überzuziehen. Er blieb mit dem Rücken zu ihr stehen und griff nach dem Türknauf.
    »Gehen Sie nicht so«, sagte sie.
    Sie spürte, wie angespannt er war, und wusste, dass er vor ihr weglief, um zu entkommen, solange es ihm noch möglich war. Er begriff einfach nicht, dass er ihr nie entkommen konnte. Nicht jetzt, da sie sich tatsächlich begegnet waren. Ihr Leben würde für immer verflochten sein.
    »Damit habe ich nicht gerechnet … mit dem, was da zwischen uns ist«, gab er zu. »Ich will es nicht, habe keine Zeit dafür.«
    »Sie können weglaufen, aber Sie können nicht entkommen.«
    Er fuhr mit dem Kopf herum und funkelte sie an. »Ich kann es aber versuchen, verdammt.«
    Als er die Tür öffnete, aus dem Haus ging und die Tür hinter sich zuschlug, blieb Genny eine Weile in der Diele stehen und lauschte dem Geräusch seines sich entfernenden Wagens. Sie zog ihre Strickweste vor der Brust zusammen und schlang die Arme um sich.
    Ihr Leben lang war sie anders als andere Menschen gewesen, anders als die Mädchen, die sie kannte. Manche hielten sie für eine Spinnerin, andere beneideten sie um ihre einzigartigen Begabungen. Die Einwohner der Stadt akzeptierten oder ignorierten sie, viele verwiesen auf sie als die Nachfahrin der alten Hexe. Das war sie wohl. Solange ihre Großmutter noch am Leben war, hatte sie Genny beschützt, so gut sie konnte. Und nur Granny hatte wirklich verstanden, was es hieß, Fähigkeiten zu besitzen, die nur wenige andere hatten. Andererseits schienen diese Begabungen erblich zu sein, weitergegeben von den Großmüttern an die Enkelinnen, ähnlich wie bestimmte Gene von ihren Eltern auf sie übergegangen waren und ihr schwarze Haare und braune Augen gegeben hatten.
    Genny seufzte, als sie Drudwyn aus seinem Nickerchen weckte und ihn zur Hintertür trieb. Bevor sie ihm nach draußen folgte, schlüpfte sie in ihren schweren Mantel und die Handschuhe. Am Abendhimmel glitzerten Sterne, blinkende Leuchtfeuer, Millionen Meilen entfernt. Die Temperatur war bereits unter den Gefrierpunkt gesunken, aber es war windstill und fühlte sich daher nicht so kalt an. Während Drudwyn seine Geschäfte erledigte, sah Genny nach den Gewächshäusern.
    Eine Schleiereule flog über sie hinweg, ließ sich auf einem Baum nieder und stimmte ein unheimliches, schwermütiges Heulen an. Am Waldrand standen zwei graue Wölfe, ihre Augen wie Bernstein.
    Sobald Genny ihren abendlichen Kontrollgang beendet hatte und den Weg zur hinteren Veranda einschlug, überkam sie eine plötzliche innere Unruhe. Sie blieb stehen, atmete tief durch und wartete. Ihre Augen schlossen sich von allein. Nein, nicht jetzt. Nicht hier. Sie versuchte, ihre Beine zur Mitarbeit zu bewegen, versuchte zu gehen, aber sie stand wie angewurzelt, während dunkle Schatten in ihren Geist krochen. Hellwach stand Genny mitten im Hof und überließ sich der Dunkelheit. Die Vision verzehrte sie. Wie alle Visionen, die sie bisher erlebt hatte, konnte sie auch diese nicht unter Kontrolle halten.
    Die Frau in Gennys Vision lag ruhig, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Als er sie berührte, zuckte sie zusammen, konnte aber weder schreien noch protestieren. Sie war geknebelt. Geknebelt und gefesselt. Er hob sie aus dem Bett und trug sie zu einer Tür. Genny konnte den Raum nicht sehen, konnte auch die Frau oder den Mann nicht identifizieren.
    »Bald, mein Lämmchen, sehr bald«, flüsterte er der Frau ins

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