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Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Titel: Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Koch
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mehr als sechzig Jahren beinahe so etwas wie eine zweite Haut geworden war. Dem Haus, das ihr Mann und sie miteinander gebaut hatten, mit ihren eigenen Händen, Ziegel für Ziegel, Holzbalken für Holzbalken. Dem Haus, in dem ihre Kinder aufgewachsen waren. Dem Haus, in dem sie immer noch alle lebten, obwohl sie längst fortgegangen waren, zuerst Julia, später Klaus und zuletzt Ludwig, ihr Mann.
    Sie musste doch nur durchs Haus gehen, dann sah sie, dass alle noch da waren. All ihre Sachen waren ja auch noch hier. Ludwigs Anzüge und Hemden und Krawatten im Kleiderschrank, seinePullover und Unterwäsche und Socken in der Kommode, und im Hausflur standen seine Schuhe. Und dann die zwei kleinen Zimmer unterm Dach. Im blauen Zimmer Julias Puppen auf dem Bett, ihre heiß geliebten Pferdebilder an der Wand, ihre Schulsachen und Buntstifte auf dem Tisch, und ihre Spielsachen und Bücher und Kleider und das rote Transistorradio, das sie zum siebten Geburtstag bekommen hatte. Alles war da, genauso wie der Kofferplattenspieler im Zimmer von Klaus, und das Flugzeugmodell, das er selber gebastelt hatte, und an der Tür das Poster mit diesen vier langhaarigen Schlagersängern, und die Bücher über die Mondlandung und die Fahrradpumpe und der Fußball. Ja, alles war an seinem Platz, alles war bereit und wartete nur darauf, benützt zu werden. Ludwig brauchte nur den Kleiderschrank zu öffnen, wenn er sich heute nach dem Dienst frische Sachen anziehen wollte. Klaus konnte nach der Schule wieder stundenlang seine Platten spielen, und Julia konnte ihre Pferde malen, oder vielleicht waren heute Schmetterlinge dran oder Katzen. Wichtig war nur, dass sie alle zuhause waren, da, wo sie hingehörten, nur sie und sonst niemand, in dem Haus, in dem fremde Menschen nichts zu suchen hatten, weil es ihr Haus war, ganz allein ihr Haus.
    Jetzt wartete sie schon seit Stunden, aber ihr Sohn war noch immer nicht hier. Rot. Vielleicht war heute doch rot. Oder sie hatte ihn nicht kommen gehört, und er war heimlich in sein Zimmer geschlichen, ohne sie zu begrüßen. Obwohl er ganz genau wusste, dass sie das nicht mochte. Es gehörte sich einfach nicht für ein gut erzogenes Kind. Aber er hatte sich überhaupt völlig verändert, richtiggehend fremd war er ihr geworden, so wenig hatte er mit ihrem Klaus gemeinsam. Besonders in letzter Zeit war er regelrecht unangenehm geworden. Bei jedem Besuch hatte er nichts anderes getan, als ihr Fragen zu stellen. Ob sie mit ihrem Geld auskomme, ob sie sich anständig zu essen koche, ob sie sich denn nicht einsam fühle, so ganz allein im Haus. Unddann hatte er wissen wollen, ob das Hausdach in Ordnung sei, ob noch eine Hypothek abzubezahlen sei, wie hoch die monatlichen Belastungen seien, ob er den Bauplan sehen können, lauter Dinge, die ihn nichts angingen und ihr nur bewiesen, dass ihr Sohn vorhatte, sie in ein Altenheim abzuschieben, um an das Haus zu kommen.
    Natürlich hatte er noch nie ausdrücklich davon gesprochen, aber sie war doch nicht dumm. Sie spürte genau, worauf das alles hinauslief, und sie wusste, was ihr dann drohte: Qualvolle Tage und Nächte in einem trostlosen Zimmer. Unfähige, sadistische Pflegerinnen, denen sie hilflos ausgeliefert wäre, und die sie schlagen und ans Bett fesseln würden. Mahlzeiten in Gesellschaft verblödeter, zahnloser Kranker, die nach Urin stinken und sich mit Suppe bekleckern würden. Und so müsste sie dahinvegetieren, bis man ihr eines Nachts eine Injektion verpassen würde, und ihr Tod würde schmerzhaft sein, einsam und trostlos.
    Nein, sie durfte ihrem Sohn einfach keinen Grund geben, sie ins Altenheim zu bringen. Sie war nicht hilflos, sie war kein Pflegefall. Da konnte er ihr noch so viele Altenpflegerinnen ins Haus schicken, um sich von ihnen bestätigen zu lassen, dass sie hinfällig sei und verwirrt und pflegebedürftig. Was immer sie mit ihr anstellen würden, nein, sie würde sich keine Blöße geben. Unverrichteter Dinge würden sie wieder abziehen müssen, diese bösartigen Weiber.
    Sie war stark, sie war selbständig und, ja, sie war glücklich. Sie hatte alles, was sie brauchte. Sie hatte ihren Mann, sie hatte ihre Kinder und sie hatte ihr Haus. Und jetzt würde sie ihr gelbes Sommerkleid anziehen, und Ludwig würde sie und Julia und Klaus in die Konditorei einladen, und Ludwig und sie würden Torte essen und die Kinder Eis. Wie immer am Sonntagnachmittag. Denn heute war doch Sonntag, heute war doch rot.
    Oder etwa nicht?

D ie Sonne schien von

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