Hexentage
viel schwerer sie unter den auferlegten Kontributionen zu leiden hatten. Die Schweden hatten ihre 600 Mann starke Besatzung in den Bürgerhäusern untergebracht, und die Bürger waren es, die sämtliche Mittel für Pflege und Verköstigung dieser Söldner aufbringen mußten. Zudem leisteten der Rat und das Domkapitel immense Abgaben für den Schutz der Stadt. Auch diese Gelder mußten zum größten Teil von der Bevölkerung aufgebracht werden. Es war ein hoher Preis, den die Stadt für die zurückerlangte Religionsfreiheit entrichtete.
Jakob und Laurentz ritten zunächst zum spätromanischen Dom, dem Mittelpunkt der Stadt, die einst von Karl dem Großen begründet worden war. Jakob betrachtete ehrfurchtsvoll das machtvolle Monument aus Stein, das als eine der ältesten christlichen Kirchen Westfalens galt.
Während Jakob noch die gewaltigen Formen des Doms auf sich wirken ließ, winkte Laurentz einen ärmlich gekleideten Knaben herbei, der barfüßig auf dem Pflaster herumlief und nach einem Huhn trat, das ihm hektisch flatternd entwischte. Er versprach dem Knaben einige Groschen, wenn er sie in die Hakenstraße zum Haus des Bürgermeisters führte. Der Bursche nahm das Angebot gerne an und forderte die beiden Reiter auf, ihm zu folgen.
Er geleitete sie in eine Straße, in der sich prächtige Patrizierhäuser aneinanderreihten, die der eigentlichen Enge der Stadt zu spotten schienen. Der Knabe wies auf das Haus des Bürgermeisters, |32| das am Ende der Straße lag, und nahm dann die Münzen von Laurentz entgegen, die er rasch in seiner Hose verstaute.
Sie saßen von ihren Pferden ab. Jakob strich seinem Hengst Melchior dankbar über den Hals, während Laurentz sich stöhnend die Hände ins Kreuz drückte.
»Himmel, Herrgott!« keuchte er. »Mir tun sämtliche Knochen weh. Vielleicht hätten wir doch eine Kutsche benutzen sollen.«
Jakob lächelte mitfühlend. Er war müde, aber ansonsten hatte ihn der Ritt nicht allzu sehr angestrengt. Im Grunde hatte er es genossen, zwei Tage außerhalb einer Stadt zu verbringen. Der Krieg hatte die umliegenden Ländereien unsicher gemacht. Recht und Ordnung wurden hinter die steinernen Mauern der Städte zurückgedrängt, und auch hier konnten sie nur mühsam aufrechterhalten werden. Für Jakob gab es nicht viele Gelegenheiten, Minden zu verlassen, und zu manchen Zeiten fühlte er sich dort eingeschlossen wie in einem Gefängnis.
Ein Knecht trat herbei, führte die Pferde in den Stall und rief nach einer Magd, die die beiden Besucher in das Haus des Wilhelm Peltzer führte. Sie durchquerten eine geräumige Waschküche, in der ein ziemlicher Tumult herrschte. Ein gutes Dutzend Männer und Frauen scharte sich um ein gewaltiges Faß, in dem die große Wäsche vorbereitet wurde. Die Frauen trugen kochendes Wasser und die Wäsche herbei, während die Männer auf die einzelnen Schichten Holzasche schütteten, in der die Stoffe eingeweicht wurden. Am Waschtag selbst würde man die Wäsche wiederholt mit kochendem Wasser übergießen, sie von den Mägden mit Füßen treten lassen und schließlich mit der Hand nachwaschen.
Die Waschküche war von feuchten Dampfschwaden eingehüllt, die wie dichter, warmer Nebel im Raum hingen. Jakob und Laurentz tasteten sich zwischen den Rufen des Gesindes am Faß entlang und folgten der Magd, die sie in ein angrenzendes Zimmer führte, wo sie die Besucher bat, einen Moment zu warten.
|33| »Herr Laurentz, dem Herrn sei Dank, daß Ihr Osnabrück wohlbehalten erreicht habt«, wurden sie kurz darauf von der Frau des Bürgermeisters Peltzer begrüßt, einer zierlichen Person mit tiefen Ringen unter den Augen, die sie kränklich und müde wirken ließen. Ihre leise und kraftlose Stimme verstärkte diesen Eindruck noch.
»Abgesehen davon, daß ich kurz vor dem Verdursten bin«, entgegnete Laurentz. Seiner Klage wurde rasch Abhilfe geschaffen, indem ihnen zwei Krüge mit Bier gereicht wurden. Jakob störte sich nicht daran, daß das Osnabrücker Bier es geschmacklich bei weitem nicht mit dem Gerstensaft aus Minden aufnehmen konnte. Nachdem sie auf ihrer Reise fast ausschließlich Wasser getrunken hatten, war es ein herrlicher Genuß, das Bier hinunterzustürzen.
Laurentz stellte seinen Begleiter vor und erkundigte sich nach Wilhelm Peltzer, der jedoch noch mit dringenden Ratsangelegenheiten beschäftigt war. Frau Peltzer bot ihren Gästen an, sich von der anstrengenden Reise auszuruhen, und führte sie in den ersten Stock, wo bereits zwei Kammern für
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