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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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sie hergerichtet worden waren. Die Zimmer lagen sich gegenüber, und am Ende des Korridors befand sich eine weitere Tür, die Jakobs besondere Aufmerksamkeit auf sich zog, da sie äußerst gründlich mit einem schweren Eisenriegel und einem großen Schloß gesichert worden war. Welches Mysterium sollte dort vor allzu neugierigen Augen verborgen werden?
    »Ich werde einen Boten schicken und meinen Mann von Eurer Ankunft unterrichten«, sagte Frau Peltzer, als sie die Türen der Kammern aufschloß.
    »Laßt Euren Mann nur in Ruhe seine Geschäfte zu Ende bringen.« Laurentz gähnte herzhaft. »Eine oder zwei Stunden Schlaf werden uns sicher guttun.«
    Der Raum, den Jakob im Haus bezog, war klein, aber sauber und mit allem Nötigen ausgestattet. An der Wand ein Bettkasten, daneben eine Holztruhe und ein Tisch, auf dem eine Schale |34| und ein Krug Wasser zur Erfrischung bereit standen. Sogar eine Standuhr gab es in der Kammer. Jakob schloß die Tür, legte Mantel und Degen ab und zog seinen breitkrempigen Hut vom Kopf. An seinem Kopfschmuck waren drei auffällige rote Federn befestigt, die er sorgfältig glatt strich, bevor er den Hut zur Seite legte.
    Er öffnete seine lederne Reisetasche, nahm die Kleidungsstücke heraus und deponierte sie in der Truhe. Da die Luft hier im Zimmer ein wenig stickig war, öffnete er die Fenster und setzte sich auf die breite Fensterbank. Sein Blick glitt über die umliegenden Dächer Osnabrücks, einer Stadt von etwa sechstausend Einwohnern, die einen friedlichen und beschaulichen Eindruck machte. Jakob waren aber die Probleme und Konflikte der Stadt nicht unbekannt. Im Jahr 1171 hatte die Stadt von Kaiser Friedrich I. das
privilegium de non evocando
erhalten, das ihr eine unabhängige Rechtssprechung garantierte. Kein Bürger durfte somit vor ein auswärtiges Gericht geladen werden, wenn er nicht zuvor die Gelegenheit gehabt hatte, seinen Fall vor dem Gericht der Stadt zu verfolgen.
    Diese recht unabhängige Stellung Osnabrücks begünstigte später auch die Einführung der Reformation. Der Superintendent von Lübeck, Hermann Bonnus, einst Schüler Luthers und Melanchtons, wurde nach Osnabrück geladen und gab mit seinen Predigten den entscheidenden Anstoß zum Religionswechsel, der zwei der vier Stadtkirchen evangelisch werden ließ.
    Pest, Krieg und Gegenreformation hatten Osnabrück in den letzten Jahren arg gebeutelt, doch nun wurde der Stadt eine weitere Bewährungsprobe abverlangt: Der Satan hatte seine Hände nach ihr ausgestreckt. Jakob hatte sich von Laurentz die Sachlage erklären lassen und erfahren, daß in diesem Jahr bereits mehr als dreißig Hexen Geständnisse ihrer Schuld abgelegt hatten. Niemand konnte abschätzen, wie viele Personen noch dem Teufel anheimgefallen waren oder in absehbarer Zeit seinen Versuchungen erliegen würden. Agnes hatte Recht, das Böse breitete |35| sich wie eine Pest aus, und die Not, die der Krieg mit sich gebracht hatte, diente dem Satan bei seiner abgründigen Saat als fruchtbarster Ackerboden.
    Allein und entspannt am Fenster sitzend, überfiel Jakob eine bleierne Erschöpfung. Er betrachtete den Wasserkrug und hätte sich gerne frisch gemacht, doch er verzichtete darauf, da ihm der Vorfall, der sich vor ein paar Tagen im Haus von Johann Albrecht Laurentz ereignet hatte, noch allzu deutlich vor Augen stand.
    Er hatte sich nur das Gesicht waschen wollen, doch dann waren seine Augen an den kleinen Wellen, die sich auf dem Wasser ausbreitet hatten, hängengeblieben, und er war in den Bann der Vision geraten, die ihn das Leiden der armen Maria erleben ließ.
    Es war nicht seine erste Vision gewesen, und er befürchtete, daß es auch nicht die letzte sein würde. Oft schon hatte Jakob sich gefragt, ob ihm dieses Übel in die Wiege gelegt worden war oder ob der Teufel erst in späteren Jahren Macht über ihn gewonnen hatte.
    Als Kind hatte Jakob nicht geahnt, welcher Fluch ihm anhing. Er erinnerte sich aber, daß die Bewegung des Wassers schon immer eine ganz besondere Faszination auf ihn ausgeübt hatte. Einst hatte er oft vor Pfützen gesessen, Regentropfen betrachtend, die auf die Oberfläche plätscherten, oder er hatte mit seinen Fingern Wellenbewegungen entstehen lassen, die ihn auf eine seltsame Art und Weise entrückten. Er fühlte sich in diesen Momenten verträumt, so als schwebe er – als wäre er dem Himmel ein Stückchen näher. Kurz nach seinem dreizehnten Geburtstag geschah es dann zum ersten Mal, daß sich eines der

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