Hexentage
sein, denn er lächelte, wischte sich die Hände ab und erhob sich. Jakob stand ebenfalls auf.
Als der Bürgermeister eintrat, war Jakob fast ein wenig enttäuscht. Von Laurentz’ Berichten ausgehend, hatte er sich ihren Gastgeber als einen hochaufgeschossenen, kräftigen Mann vorgestellt, doch Peltzer kam eher untersetzt daher, er war etwas kleiner als Jakob und wirkte alles in allem recht unscheinbar. Unter seinem Mantel trug er die nüchterne dunkle Kleidung eines Lutheraners, deren einfacher Schnitt einzig durch einen aus Batist gefertigten Kragen und silberne Manschetten verziert wurde. Der Bürgermeister bot von seinem asketischen Erscheinungsbild her einen krassen Gegensatz zu ihm selbst. Jakobs mit langen, roten Federn geschmückter Hut, die goldbesetzte Schärpe und die bunten Bänder an seinen Beinkleidern ließen ihn wie einen eitlen Pfau neben einer Drossel erscheinen.
Peltzer trat auf seinen alten Freund Laurentz zu und streckte die Hände aus. »Seid willkommen«, sagte er und klopfte Laurentz auf die Schulter.
»Es muß an die drei Jahre her sein, daß wir uns gegenüber standen«, erwiderte Laurentz.
»Zu lange, viel zu lange.« Peltzer wandte sich Jakob zu. »Und wen haben wir hier?« Er musterte ihn mit seinen wasserblauen, stechenden Augen. Jakob schluckte und bemerkte, daß Peltzers Blick einen Moment lang mißbilligend auf seiner Kopfbedeckung ruhte. Er schien kein Freund eines solchen Federschmucks zu sein. Jakob wußte nicht recht, wie er reagieren sollte. Peltzer verunsicherte ihn, und er begriff, daß ihn sein erster |39| Eindruck getäuscht hatte. Der Bürgermeister strahlte eine kühle, willensstarke Autorität aus – ein Mann, den man sich nicht zum Gegner wünschte.
Jakob räusperte sich, doch bevor er antworten konnte, meldete sich Laurentz zu Wort.
»Dieser Bursche dort schickt sich an, in meine Familie einzuheiraten.« Er klopfte Jakob wie zur Bestätigung auf die Schulter. »Darf ich vorstellen: Jakob Theis, der Mann, der meiner Tochter Agnes das Eheversprechen gegeben hat.«
Peltzer bedachte Jakob mit einem anerkennenden Schmunzeln. »Meinen Glückwunsch, Jakob. Ihr werdet bald einer der angesehensten Familien Mindens angehören.«
»Ganz so weit ist es noch nicht«, erklärte Jakob. »Bevor ich eine Familie gründen kann, werde ich die Rechtswissenschaften an der Universität Rinteln studieren.«
»Ein Jurist wollt Ihr also werden.« Peltzer musterte ihn nun noch eingehender, und Jakob gewann den Eindruck, als zweifle der Bürgermeister insgeheim an seiner Befähigung, eine solche Aufgabe zu meistern. »Nun, dann befindet Ihr Euch hier in bester Gesellschaft.«
»Er wird seinen Weg schon machen, da bin ich mir ganz sicher«, erhielt Jakob Unterstützung von Laurentz.
Sie setzten sich an die Tafel. Peltzer ließ sich Fleisch und Bohnen auftragen. Er aß bedächtig und unterhielt sich mit Laurentz angeregt über ihre Familien und die Geschehnisse in Minden. Als Laurentz dem Bürgermeister von der entbehrungsreichen Zeit der Belagerung Mindens durch Herzog Georg berichtet hatte, nickte er und klagte: »Dieser Krieg hat seinen Sinn verloren. Etwas Böses, Finsteres ist mit ihm entfesselt worden. Es dreht sich wie ein schweres Rad schneller und schneller und rollt über die deutschen Lande hinweg.«
Jakob konnte Peltzers Enttäuschung verstehen. Sechs Jahre zuvor, als die katholische Armee die Dänen vernichtend geschlagen und der deutsche Kaiser Ferdinand den Krieg bereits als siegreich |40| betrachtet hatte, weitete sich der Konflikt durch die überraschende Intervention Schwedens stärker über das Land aus, als man es je für möglich gehalten hatte.
Gustav Adolf, König von Schweden, hatte seine Armee im Jahr 1630 an einem pommerschen Ostseestrand auf deutschen Boden geführt. Um seine Person rankten sich zahlreiche Legenden und Weissagungen. Er wurde der Löwe aus dem Mitternachtsland genannt, denn die deutschen Protestanten träumten seit langer Zeit von einem Retter, der den Unterdrückten zu Hilfe kommen, das römische Babylon zerschlagen und ein neues, goldenes Zeitalter einleiten sollte.
Für kurze Zeit hatte es den Anschein, als könne der
Löwe aus Mitternacht
der Legende, die ihm vorauseilte, tatsächlich gerecht werden. Gustav Adolfs Truppen eroberten ohne Mühe Stettin, das von großer strategischer Bedeutung war, da es wie ein Riegel an der Ostseemündung der Oder lag und die Kontrolle über die Handelsströme vom Meer her gewährleistete.
Im September
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