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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ketten der Davids straffzuziehen, wieder andere standen scheinbar untätig herum, starrten in den Nebel und fingerten nervös an ihren Waffen. Es waren die Männer mit den Gewehren, die nicht arbeiteten, und ich begriff, dass Bannermann alle Vorbereitungen getroffen hatte, das Ungeheuer würdig zu empfangen, sollte es noch einmal angreifen. Aber irgend etwas sagte mir, dass Gewehrkugeln und Äxte nicht viel nutzen würden.
    Mein Blick glitt zum Achterdeck und suchte Andara. Der Hexenmeister war wenige Schritte vor der Reling stehen geblieben und zur Reglosigkeit erstarrt. Seine Hände waren erhoben und wiesen in einer erstarrten, beinahe beschwörend wirkenden Geste in den Nebel hinaus.
    »Was tut er?«, flüsterte Bannermann.
    Ich winkte hastig ab und sah weiter konzentriert zum Achterdeck hinauf. Andara rührte sich nicht, aber ich spürte einfach, wie irgend etwas dort oben vorging. Etwas, das nicht mit normalen menschlichen Sinnen wahrzunehmen war.
    Und dann begann sich der Nebel zu bewegen.
    Zuerst langsam und fast unmerklich, dann immer schneller trieben die grauen Schwaden auseinander. Die lichtschluckende Mauer, die die LADY OF THE MIST gefangen hielt, riss auf, und zum ersten Mal seit Stunden berührte das Licht der Sonne wieder das Deck. Die Kälte verschwand wie ein böser Spuk, und plötzlich spürte ich den kühlen Hauch des Windes auf der Haut.
    Bannermann keuchte überrascht. Aber er reagierte so schnell, wie man es von einem guten Kapitän erwarten konnte. »Segel setzen!«, brüllte er. »Steuermann – Kurs zwei Strich backbord!«
    Ein tiefes, mahlendes Geräusch lief durch den Rumpf des Viermastseglers. Ich spürte, wie die LADY unter meinen Füßen wie aus einem tiefen, betäubenden Schlaf erwachte, als der Wind zunahm und sich die Segel an den Rahen strafften. Der Hauptmast ächzte hörbar unter dem Druck, der plötzlich auf ihm lastete und den er an den Schiffsrumpf weitergeben musste. Der Nebel trieb weiter auseinander, zerfaserte zu dünnen Streifen und löste sich mit phantastischer Geschwindigkeit auf. Eine Welle schlug klatschend gegen den Rumpf und zerstob zu weißer Gischt, dann eine zweite, dritte …
    »Bannermann!« Andaras Stimme drang wie von weither in meine Gedanken. »Die Boote! Schnell! Der Wind wird nicht lange anhalten!«
    Ein seltsames Gefühl von Schwäche überkam mich. Das Schiff begann vor meinen Augen zu verschwimmen, und meine Beine schienen mit einem Male nicht mehr in der Lage, das Gewicht meines Körpers zu tragen. Ich wankte, griff haltsuchend nach dem Mast, verfehlte ihn und wäre gestürzt, wenn Bannermann nicht gedankenschnell zugegriffen und mich aufgefangen hätte.
    »Craven!«, keuchte er. »Was ist mit Ihnen?«
    Ich schüttelte schwach den Kopf, befreite mich aus seinen Armen und lehnte mich gegen den Mast. Mein Herz jagte, als wäre ich meilenweit gelaufen, und obwohl ich noch immer vor Kälte zitterte, brach mir am ganzen Leib der Schweiß aus.
    »Es ist … nichts«, sagte ich mühsam. »Ein Schwächeanfall, mehr nicht. Es geht schon wieder.« In Wirklichkeit fühlte ich mich sterbenselend. Hätte ich mich nicht an den Mast lehnen können, wäre ich abermals gestürzt.
    »Robert! Geh in das Boot! Schnell!« Es fiel mir schwer, Andaras Worten zu folgen. Das Schiff bewegte sich noch immer vor meinen Augen, als betrachtete ich es durch fließendes Wasser, und das Klatschen der Wellen hallte seltsam verzerrt in meinen Ohren wider. Trotzdem stemmte ich mich gehorsam hoch, drehte mich herum und wankte auf eines der Rettungsboote zu.
    Die Matrosen saßen bereits an ihren Plätzen, sechs Mann in jedem Boot, viel zu wenige, um die LADY nennenswert von der Stelle bewegen zu können, aber alles, was Bannermann entbehren konnte. Die Davids bewegten sich quietschend; eines der Boote löste sich aus seiner Halterung, schwebte, von vier armdicken rostigen Ketten gehalten, eine Handbreit über die Reling und senkte sich langsam auf die Wasseroberfläche herab.
    Es erreicht sie nie.
    Das Meer barst in einer plötzlichen Explosion aus Wasser und weißer, schaumiger Gischt auseinander. Etwas ungeheuer Großes und Massiges wuchs wie ein schwarzgrüner Berg neben dem Schiff empor, bäumte sich mit einem gewaltigen Urschrei auf und versank wieder im Meer. Das Schiff bebte. Eine drei Meter hohe Flutwelle traf seine Flanke wie ein Hammerschlag, spülte brüllend über die Reling und riss die Matrosen von den Füßen. Auch ich strauchelte, schlug schmerzhaft irgendwo mit dem

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