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Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Hexer-Edition 02: Als der Meister starb

Titel: Hexer-Edition 02: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Küste.«
    In Lorimars Gesicht arbeitete es. Seine Lippen zitterten, und auf seiner Stirn erschien feiner, kalter Schweiß. Langsam, als bewege er sich nicht aus freien Stücken, sondern folge einem anderen, stärkeren Willen, wandte er sich um und ging steifbeinig über das Deck davon. Die anderen schlossen sich ihm an.
    Bannermann keuchte. Er und ich schienen die einzigen zu sein, die den suggestiven Klang von Andaras Worten zwar gehört hatten, ihm aber nicht vollkommen erlegen waren. »Wie … haben Sie das gemacht?«, stammelte Bannermann. »Ich kenne Lorimar. Er ist ein verdammter Hitzkopf, aber wenn er einmal Oberwasser hat, dann bringen ihn keine zehn Pferde mehr zur Vernunft.«
    Andara lächelte. »Ein kleiner Trick, mehr nicht«, sagte er. »Die Männer wollten mich nicht wirklich töten, Captain. Sie hatten nur Angst.«
    Bannermann schluckte. »Aber Sie …« Er brach ab, schüttelte verwirrt den Kopf und sah hilflos in die Runde. »Das … das war Ihr Ernst, nicht?«, fragte er. »Sie würden sich opfern, wenn es uns retten würde.«
    Andara antwortete nicht.
    »Aber es würde uns nicht retten«, fügte Bannermann hinzu.
    »Nein«, sagte Andara leise. »Das Wesen, das uns folgt, lässt nie wieder von einem Opfer ab, dessen Spur es einmal aufgenommen hat.«
    Ich erwartete halbwegs, dass Bannermann fragen würde, was es für ein Wesen war, das uns verfolgte, aber er tat es nicht. Und jetzt fiel mir auf, dass nicht ein Mann der Besatzung diese Frage gestellt hatte. Selbst mir fiel es seltsam schwer, mich an das Monster zu erinnern. Es war fast, als blockiere irgend etwas meine Erinnerung in diesem Punkt.
    »Andern Sie den Kurs, Captain«, sagte Andara ernst. »Und feuern Sie Ihre Männer an, wenn Sie sie retten wollen. Ich weiß nicht, wie lange ich uns noch schützen kann.«
    Bannermann nickte. Die Bewegung wirkte abgehackt und verkrampft. »Ich … muss mich um die Toten kümmern«, sagte er gepresst. »Sie brauchen ein anständiges Begräbnis.«
    »Dazu ist keine Zeit«, sagte Andara kopfschüttelnd. »Bahren Sie sie auf, bis wir die Küste erreicht haben. Wenn das Schiff sinkt, dann ist es ein würdiges Grab für sie.« Er schien vollkommen sicher zu sein, dass die LADY niemals mehr einen Hafen anlaufen würde. Aber wenn Bannermann über diese neuerliche Hiobsbotschaft erschrocken war, so beherrschte er sich meisterhaft. Er nickte nur, wandte sich mit einem Ruck um und ging nach vorne. Ich sah ihm nach. Ein paar seiner Männer hatten bereits damit begonnen, die Leichname von Mannings und Barton in weißes Segeltuch zu schlagen. Mein Blick glitt an ihnen vorbei zum Bug. Neben der zerbrochenen Reling lagen fünf weitere, längliche Bündel aus grobem Segeltuch. Die Männer, die dem ersten Angriff des Unheimlichen zum Opfer gefallen waren. Ich schauderte. Wie viele Menschen mussten noch sterben, ehe dieser Alptraum endlich vorüber war?
    »Ich werde sie retten, Robert«, sagte Andara leise. »Ich verspreche es.«
    Es bereitete mir Mühe, meinen Blick von den Toten zu lösen. »Lesen Sie meine Gedanken?«, fragte ich, ohne ihn anzusehen. Die Kälte, die in meiner Stimme mitschwang, erschreckte mich selbst.
    Andara schüttelte den Kopf. »Nein. Aber es ist nicht schwer, deine Gefühle zu erraten, Junge. Ich nehme es dir nicht übel, wenn du mich hasst.«
    Jetzt sah ich ihn doch an. »Hassen? Ich hasse Sie nicht. Ich …« Ich sprach nicht weiter. Es fiel mir seltsam schwer, mir über meine eigenen Gefühle klar zu werden.
    »Vielleicht verstehst du jetzt, was ich vorhin gemeint habe«, fuhr er leise fort. »So wie hier ist es immer gewesen. Immer und überall.« Er lächelte traurig.
    »Ist es so?«, fragte ich. Es fiel mir schwer, weiter zu sprechen. »Hatte … hatte Lorimar recht? Bringen Sie wirklich den Tod?«
    Andaras Reaktion auf meine Worte überraschte mich. In seinen Augen glomm ein Schmerz auf, den ich mir nicht zu erklären vermochte. »Komm mit«, sagte er plötzlich.
    Ich drehte mich um, um in unsere Kabine zurückzugehen, aber Andara deutete mit einer Kopfbewegung zum Achterdeck hinauf. »Lass uns dort oben reden«, sagte er. »Es ist besser, wenn ich an Deck bleibe.«
    Ohne ein weiteres Wort folgte ich ihm auf das höher gelegene Achterdeck hinauf. Wir waren allein. Bannermann war irgendwo vorne auf dem Schiff, und mir fiel erst jetzt auf, wie still es hier hinten war. Die Männer mieden unsere Nähe. Andara hatte ihren Willen gebrochen und sie – auf welche Weise auch immer – gezwungen,

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