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Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Titel: Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eines vielleicht zwanzigjährigen, rothaarigen Burschen, der in seiner abgerissenen Kleidung (und mit einem Gesicht, das wohl seit einem Monat nicht mehr mit Wasser in Berührung gekommen war) noch immer wie ein Geschöpf der Nacht aussah. Langsam kam er näher, sah erst Howard, dann mich und schließlich Rowlf in eindeutig abschätzender Weise an und wandte sich schließlich wieder an mich.
    »Bitte?«, sagte ich. Ich kam mir ein bisschen albern dabei vor, aber der Rothaarige schien genau auf diese Reaktion gewartet zu haben. Ein rasches, nervöses Lächeln huschte über seine Züge. Ich bemerkte, dass sein Atem nach billigem Weinbrand roch und wich unwillkürlich ein kleines Stück von ihm weg.
    »Sie sind Craven, oder?«, fragte er. »Ronald Craven.«
    »Robert«, verbesserte ich ihn. »Aber sonst stimmt es.« Ich maß ihn mit einem langen, bewusst missbilligenden Blick. »Kennen wir uns?«
    Der Bursche schüttelte hastig den Kopf und kam wieder einen Schritt näher. Ich widerstand nur mit Mühe dem Impuls, abermals zurückzuweichen, um seiner Alkoholfahne aus dem Weg zu gehen. »Nö«, sagte er. »Aber ich hab’ einen Brief für Sie.« Er grub in der Tasche seiner schwarzen, viel zu weiten Arbeitsjacke, kramte einen zerknitterten Umschlag hervor und hielt ihn mir hin, zog die Hand aber hastig wieder zurück, als ich danach greifen wollte.
    »Die Frau, die ihn mir gegeb’n hat, hat gesagt, ich krieg ein Pfund von Ihnen«, behauptete er.
    »Ein Pfund?« Ich runzelte die Stirn und maß ihn erneut mit einem langen, misstrauischen Blick. Ein Pfund war eine hübsche Stange Geld, für einen – unter Umständen – schlechten Scherz. Aber wer sollte sich wohl einen Scherz mit mir erlauben? Außerdem konnte er kaum gewusst haben, dass wir ausgerechnet hier entlangfahren würden. Vor einer Stunde hatten wir ja selbst noch nicht gewusst, dass wir London so überstürzt verlassen würden.
    »Gib es ihm«, murmelte Howard. Er hatte den Wagen umrundet und war neben mich getreten, ohne dass ich es gehört hatte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich Rowlf auf dem Kutschbock spannte, als fürchte er, dass der Rothaarige uns angreifen würde.
    Ich überlegte noch einen Moment, nickte dann und zog eine Pfundnote aus der Tasche.
    Der Bursche reichte mir den Brief, riss mir die Banknote aus der Hand und verstaute sie mit einem triumphierenden Grinsen in seiner Tasche.
    Neugierig drehte ich den Brief in der Hand. Schon ein erster, flüchtiger Blick sagte mir, dass es kein Scherz war, auch kein übler Trick dieses zwielichtigen Burschen, der sich auf diese Weise ein Pfund ergaunern wollte. Er trug keinen Absender, aber auf seiner Vorderseite war mit kleiner, krakeliger Handschrift: Für Robert Craven geschrieben.
    »Wer hat Ihnen das gegeben?«, fragte ich. »Und wann?«
    »Grad, vor’n paar Minuten«, antwortete der Bursche. »War so ’ne komische Tussi mit dunkler Haut, fast wie ’ne Araberin. Hat mich dort drüben angequatscht, auf der anderen Straßenseite. Sah aus, als hätte sie auf euch komische Vögel gewartet.«
    Instinktiv blickte ich über den menschenleeren Boulevard zur anderen Seite der Straße hinüber. Aber natürlich war die Frau, die mir diesen Brief gesandt hatte, nicht mehr da. Und ich konnte mir auch die Mühe sparen, hinauszugehen und nach ihr zu suchen.
    »Ich … danke Ihnen«, sagte ich. Aber der Bursche machte keine Anstalten, sich zu rühren.
    »Was ist denn noch?«, fragte ich. »Sie haben Ihr Geld doch bekommen.«
    »Sie hat gesagt, ich soll warten, bis Sie ihn aufgemacht haben«, grinste der Bursche. »Weiß nicht, warum. Aber sie hat gesagt, Sie wüssten es sicher.«
    Ich tauschte einen verwirrten Blick mit Howard und riss den Brief auf. Er enthielt ein kleines, sorgsam in der Mitte gefaltetes Blatt.
    Ein leeres Blatt.
    Zwei, drei Sekunden lang starrte ich den weißen Bogen Papier sprachlos an, dann fuhr ich mit einem wütenden Ruck herum und fauchte den Rothaarigen an: »Was soll der Unsinn? Wenn das ein Witz sein soll, ist es kein guter, mein Freund.«
    Der Bursche grinste in unverhohlener Schadenfreude. Aber er machte noch immer keine Anstalten, zu gehen, sondern blickte mich weiter an. »Sie hat noch etwas gesagt«, sagte er. »Sie sollen warten, bis ich weggegangen hin. Sie hat gesagt, Sie wüssten schon, warum. Ehrlich, Mister …«
    Das wusste ich ganz und gar nicht, so wenig, wie ich mir erklären konnte, warum die geheimnisvolle Briefschreiberin ihre Nachricht nicht der Post anvertraut

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