Hexer-Edition 08: Engel des Bösen
den zerborstenen Wagen und mich zu; im gleichen Augenblick fiel die Lähmung wie ein hastig abgestreifter Mantel von mir ab. Ich prallte zurück, stieß einen krächzenden, ungläubigen Schrei aus, stolperte und fiel der Länge nach hin. Eine Ratte schoss quiekend davon, als ich sie unter mir zu begraben drohte – nicht ohne mich im Vorbeigehen noch einmal kräftig in die Hand zu beißen – und der Mann mit dem Rattenkopf stieß einen leisen kichernden Laut aus.
Abermals kam er näher. Der Blick seiner kleinen, matt schwarzen Rattenaugen schien sich an meinem Gesicht festzusaugen; gleichzeitig vollführten seine Hände – auch sie waren, wie ich jetzt bemerkte, nur noch beinahe menschlich – kleine, kompliziert anmutende Gesten. Ich hörte einen Laut, den ich erst nach Sekunden als den Schrei einer menschlichen Stimme identifizierte, gefolgt von einem fürchterlichen Scharren und Kratzen, dann einem ekelhaften Rascheln, als rieben sich zahllose kleine, weiche Körper aneinander. Hastig wandte ich den Kopf, um nach der Ursache dieses bedrohlichen Geräusches zu sehen.
Besser gesagt – ich wollte es.
Ich führte die Bewegung nicht einmal halb zu Ende.
Es war nicht so, dass mir meine Muskeln nicht mehr gehorchten oder irgendetwas sie lähmte; vielmehr hatte ich für einen kurzen, schrecklichen Moment das Gefühl, als ob hinter meiner Stirn ein zweiter, fremder Wille sei, kaum weniger stark als mein eigener und von düsterer, animalischer Art.
Zitternd und gegen meinen Willen drehte ich den Kopf wieder zurück, stemmte mich halb in die Höhe und starrte den Rattenmann an. Etwas schien mit seinem Gesicht zu passieren – vielleicht auch mit meinen Augen, das wusste ich nicht – aber plötzlich schienen seine Züge zu verschwimmen, sich aufzulösen wie eine Maske aus weichem Wachs, irreal und unwichtig zu werden. Alles, was noch Bestand in dieser schrecklichen Persiflage eines tierischen Antlitzes hatte, waren die Augen. Augen, die größer und größer zu werden schienen, grundlosen schwarzen Schächten gleich, in denen mein Wille und meine Lebenskraft versickerten wie Wasser in der Wüste.
Verzweifelt versuchte ich mich gegen den furchtbaren Einfluss zu wehren. Mit einem kleinen, noch klar gebliebenen Teil meines Denkens begriff ich, was mit mir geschah – der Rattenmann übernahm meinen Willen, machte mich mit der puren Kraft seines Geistes zu einem hilflosen Etwas. Es war nichts anderes als das, was ich selbst schon viele Male zuvor bei anderen getan hatte; und doch vollkommen anders. Denn während ich diese furchtbare Gabe, die ich von meinem Vater geerbt hatte, nur benutzte, wenn ich selbst in Lebensgefahr war und mich verteidigen musste, würde er mich töten.
Der Gedanke gab mir noch einmal neue Kraft. Mit aller Macht stemmte ich mich gegen den geistigen Druck und für Sekunden schien es beinahe, als hätte ich Erfolg: Sein Gesicht hörte auf, vor mir wie eine Spiegelung im kochenden Wasser zu zucken, und seine Augen schienen zu flackern; der mörderische Sog ließ nach und ich schöpfte neue Hoffnung.
Irgendetwas berührte meinen Fuß, aber ich ignorierte das Gefühl, torkelte einen Schritt auf den Rattenmann zu und hob abwehrend die Hände vor das Gesicht. Erneut zupfte etwas an meinem Fuß, dann gruben sich messerscharfe Krallen in meine Haut und etwas Kleines, Pelziges begann in meinem Hosenbein nach oben zu kriechen.
Sekunden später schien sich eine Speerspitze in meine Haut zu bohren, als die Ratte ihr Ziel erreichte und ihre Zähne mit aller Kraft in meinen Oberschenkel schlug. Ich brüllte vor Schmerz, krümmte mich und fiel auf die Knie. Verzweifelt hämmerte ich mit den Fäusten auf die zuckende Ausbeulung in meinem Hosenbein, schrie erneut, als sich die Zähne des Nagers dadurch noch tiefer in mein Fleisch gruben, und schlug wieder zu. Diesmal traf ich besser; die Ratte zuckte noch einmal, verlor plötzlich ihren Halt und glitt an meinem Bein hinab.
Und trotzdem hatte sie ihr Ziel erreicht.
Ich war halb wahnsinnig vor Schmerz und Ekel. Als ich diesmal den Blick hob und den schrecklichen schwarzen Augen des Rattenmannes begegnete, hatte ich seinem Willen nichts mehr entgegenzusetzen.
Es war nicht einmal mehr ein Kampf. Er fegte meinen Willen beiseite wie ein Riese ein Spielzeugschwert, kam langsam weiter auf mich zu und hob die Hände. Ich sah, dass seine Fingernägel zu langen, mörderischen Krallen geworden waren. Ein schreckliches, gieriges Hecheln drang aus seinem halb geöffneten
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