Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft
seine Diener. Sie … sie haben alle getötet, nur mich nicht.«
»Wie viele waren es?«, fragte ich.
»Nicht viele«, antwortete Jennifer. »Drei, vielleicht vier. Bestimmt nicht viel mehr.«
»Haben sie gesagt, was sie wollen?«, fragte McGillycaddy.
Jennifer schüttelte den Kopf, dann nickte sie plötzlich. »Ich bin nicht sicher«, sagte sie. »Aber einer sagte etwas von … von einem Siegel.«
»Einem Siegel?« Plötzlich glaubte ich Dagons Worte noch einmal zu hören, so deutlich, als stünde er hinter mir und spräche sie noch einmal: Die SIEBEN SIEGEL dürfen nicht erbrochen werden, Robert Craven. »Bist du sicher?«
Wieder dauerte es Sekunden, ehe Jennifer nickte. »Einer von ihnen sagte es«, murmelte sie. »Er … er sagte, dass es noch an Bord der DAGON ist. Und … und dass sie es holen wollten, ehe das Schiff sinkt.«
McGillycaddy starrte mich an. »Wissen Sie, was das bedeutet?«, fragte er lauernd.
Ich schüttelte den Kopf, aber ich merkte gleich, dass ich McGillycaddy nicht überzeugt hatte.
»Die SIEBEN SIEGEL«, murmelte er. Plötzlich legte er den Kopf auf die Seite und maß mich mit einem langen Blick. »Da war doch so ein komisches Amulett, oder?«, fragte er leise. »Dieses Ding, das Sie bei sich haben und ohne das wir nicht fahren konnten.«
»Das hat damit nichts zu tun«, sagte ich hastig. »Und selbst wenn –«
McGillycaddy hörte nicht weiter zu, sondern löste das Problem auf seine eigene Art – er packte mich, verdrehte mir den Arm und griff zielsicher in die Tasche meines Gehrockes, in der ich Andaras Amulett trug. Mit einem zufriedenen Grunzen zog er den goldenen Stern hervor, stieß mich von sich und drehte das Schmuckstück in den Händen. »Dahinter sind sie also her«, murmelte er. »Wenn das alles ist, was sie haben wollen, warum geben wir es ihnen nicht?«
»Nein!«, entfuhr es mir. »Das dürfen Sie nicht, McGillycaddy! Sie wissen ja nicht, was Sie tun!«
McGillycaddy schürzte abfällig die Lippen. »Möglich«, sagte er. »Aber ich weiß ziemlich genau, wozu ich keine Lust habe – nämlich umgebracht zu werden, wegen eines … Amulettes.« Er schloss die Faust um den Stern und deutete mit einer Kopfbewegung zur Treppe. »Sollen sie es haben, wenn sie uns dann in Ruhe lassen.«
»Um Gottes willen, nicht!«, keuchte ich. »Sie ahnen nicht, was –«
Ich sprach nicht weiter. Einer von McGillycaddys Schlägern trat hinter mich und schlug mir so heftig mit der Faust in den Nacken, dass mir schwarz vor Augen wurde.
Es dauerte nur ein paar Sekunden. Ich war nicht wirklich bewusstlos, aber meine Knie gaben nach und für Augenblicke war ich benommen. Als sich die rauchigen Spinnenfinger der Bewusstlosigkeit wieder zurückzogen, war McGillycaddy verschwunden und statt seiner erblickte ich das höhnische Grinsen eines seiner Speichellecker.
Mühsam stand ich auf, tat so, als wolle ich meinen schmerzenden Nacken massieren, und schlug dem Burschen die geballte Faust unter das Kinn. Aus dem gehässigen Grinsen wurde eine Grimasse, dann erschlafften seine Züge und er sank bewusstlos zu Boden.
Ich fuhr herum, stieß einen weiteren Mann zur Seite und stürzte hinter McGillycaddy her, so schnell ich konnte. Niemand hielt mich auf.
Necron wartete. Der Sand in der kristallenen Uhr, die er vor sich aufgestellt hatte, war noch nicht zur Hälfte durchgelaufen und er wusste, dass er sich gedulden musste, denn selbst für Shannon und die sechs Krieger, die er mitgenommen hatte, war die Aufgabe schwer, wenn nicht unerfüllbar. Trotzdem ertappte er sich immer wieder dabei, abwechselnd auf den blitzenden Strom monoton fließenden Goldstaubes in der Uhr und die geschlossene Eichentür zu starren, die sich öffnen und das Tor freigeben würde, wenn es an der Zeit war.
Bald, dachte er. Bald.
Er wusste, dass er noch nicht gewonnen haben würde, selbst wenn Shannon erfolgreich war und das SIEGEL brachte. Es war nur der erste Schritt, der erste Zug in einem Spiel, dessen Regeln selbst ihm noch nicht ganz klar waren. Aber wie ein geübter Schachspieler wusste er auch, dass der erste Zug der wichtigste sein mochte, dass er sich gerade jetzt keinen Fehler erlauben durfte.
Necron riss den Blick von der so harmlos aussehenden Eichentür los und sah auf die beiden kristallenen Särge an der Wand davor.
Für einen Moment war ihm, als hätte sich das bleiche Gesicht des schlafenden Mädchens darin verändert, als wirke es plötzlich lebendiger, rosiger. Und gleichzeitig finsterer, voll
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