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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewährte mir einen Blick auf ein schmales, von dunklem Haar eingerahmtes Frauengesicht. Aber das war doch unmöglich!
    »Du!?« McGillycaddy fuhr mit einem zornigen Keuchen herum und hob die Fäuste. »Was willst du hier?«
    »Dich«, sagte Several Borden leise.
    McGillycaddy keuchte, trat einen Schritt auf die schlanke Gestalt zu und blieb wieder stehen, als er ihrem Blick begegnete. Irgendetwas war darin, was ihn erstarren ließ; eine Entschlossenheit, die durch nichts mehr zu erschüttern war. Ein Ausdruck, wie er vielleicht nur in den Augen von Menschen zu finden ist, die mit ihrem Leben abgeschlossen und nichts mehr zu verlieren haben.
    »Ich habe auf dich gewartet, McGillycaddy«, sagte Several. »Du wirst jetzt bezahlen. Für Jennifer, für meinen Mann, für Frane – für alle, die du umgebracht hast. Und für mich.« Sie machte einen Schritt auf McGillycaddy zu und hob die Hände.
    Ich begriff eine Sekunde zu spät, was sie mit ihren Worten meinte. »Nein!«, brüllte ich. »Tun Sie es nicht, Several! Er ist es nicht wert!«
    Aber weder Several noch McGillycaddy hörten meinen Schrei. Mit einem sanften Lächeln auf den Zügen trat Several auf McGillycaddy zu, umschlang ihn mit beiden Armen – und ließ sich zur Seite fallen.
    McGillycaddy brüllte wie von Sinnen, klammerte sich mit beiden Händen in das Tauwerk, das den Mast umspannte, und versuchte Several mit dem Knie von sich zu stoßen. Er verlor den Halt. Sein rechter Fuß glitt auf dem schlüpfrig gewordenen Holz ab. Er fiel, rutschte auch mit dem anderen Fuß weg und hing für endlose Sekunden nur noch an den Händen. Ich glaubte seine Knochen unter der Belastung ächzen zu hören.
    Und dann tat er etwas, was mich vor Schrecken erstarren ließ. Er löste die linke Hand von ihrem Halt, ballte sie zur Faust – und schlug sie Several ins Gesicht. Für eine Sekunde hing er nur noch mit einer Hand in den Seilen, Severals und sein eigenes Gewicht mit einem einzigen Arm haltend.
    Dann schlug er ein zweites Mal zu.
    Severals Lippen öffneten sich zu einem letzten, lautlosen Schmerzensschrei. Und dann war sie verschwunden.
    Lautlos stürzte sie in die Tiefe.
    Ich schloss die Augen und wandte mich ab, als sie an mir vorüberfiel. Der Sturm stieß ein gellendes, fast triumphierendes Heulen aus und für einen Moment erschien es mir, als klatsche der rollende Donner Beifall zu dem, was er sah.
    Aber das furchtbare Geräusch, mit dem sie hundert Fuß unter mir auf das Deck der DAGON prallte, hörte ich trotzdem.
     
    Jennifer saß mit steinernem Gesicht neben dem Leichnam ihrer Mutter, als ich das Deck wieder erreichte. Ein gnädiges Schicksal hatte sie so liegen lassen, dass die furchtbaren Verletzungen, die ihr der Sturz zugefügt haben musste, nicht zu erkennen waren. Sie blutete nicht einmal. Aber der Ausdruck erstarrten Entsetzens auf ihren Zügen ließ mich schaudern.
    Dicht hinter McGillycaddy trat ich neben sie. Meine Knie zitterten. Der Sturm hatte an Wut gewonnen mit jedem Yard, den ich weiter in die Tiefe gestiegen war, und während der letzten Minuten hatte ich allen Ernstes damit gerechnet, mich zu Tode zu stürzen. Meine Hände bluteten und meine Arme waren taub vor Anstrengung. Woher ich die Willenskraft genommen hatte, McGillycaddy nicht kurzerhand vom Mast zu werfen, wusste ich selbst nicht mehr.
    Jennifer war nicht die Einzige, die McGillycaddy und mir an Deck gefolgt war. Ein gutes halbes Hundert Menschen war an Deck der DAGON gekommen, bildete einen dichten, allseits geschlossenen Kreis um die Tote und ihre Tochter und schirmte sie vor den tosenden Winden ab. Niemand sprach und als McGillycaddy und ich näher kamen, wich die Menge schweigend zur Seite und machte uns Platz. Aber ich sah das Entsetzen in ihren Gesichtern, die furchtbare Enttäuschung und die Angst, die nach ihren Herzen gegriffen hatte und jedes andere Gefühl betäubte. Natürlich – sie hatten den Strudel gesehen wie ich. Aber der Schrecken, den sie empfanden, musste tausend Mal schlimmer sein. Sie hatten ihrem Gott vertraut – und waren so grausam enttäuscht worden.
    Jennifers Augen waren voller Tränen, als sie aufsah und erst mich und dann McGillycaddy anblickte. »Warum?«, fragte sie leise. Ihre Stimme klang tonlos.
    McGillycaddy schürzte trotzig die Lippen. »Du hast es doch gesehen, oder?«, schnappte er. »Sie wollte mich umbringen.«
    »Halten Sie den Mund, McGillycaddy«, sagte ich.
    Der Schotte fuhr herum, starrte mich an und stemmte trotzig die Fäuste in die

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