Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
werden drohte, seit es ihm gelungen war, einen Dämonen zu erwecken.
Carda schrie auf, sank zu Boden und begann schreckliche, keuchende Laute auszustoßen. Der Flammenarm kroch weiter auf sie zu, nicht mehr mit ungestümer Macht, sondern langsam und sich windend wie eine wirkliche Schlange, eine verbrannte, rauchende Spur hinterlassend. Etwas Schwarzes nahm dahinter Gestalt an.
»Sing, Kind!«, wimmerte Carda. »Sing oder wir sind alle verloren!«
Und Mereda sang. »Sree gegen Sree, Inguré gegen Inguré, Magier gegen Magier, Kreis gegen Kreis, Dämon gegen Dämon, Gott gegen Gott«, flüsterte sie mit blutleeren Lippen, während sie mit beiden Händen ihren eigenen Assyr-Kristall umschloss. Der flammende Tentakelarm erstarrte, kroch ein Stück zurück und zu Meredas Entsetzen dann sogar auf sie zu – und verschwand. Aber nur, um einer riesigen, schillernden Wolke Platz zu machen, die im Zentrum des Kreises materialisierte.
Noch während der Dämon Gestalt annahm, registrierte Mereda voller Entsetzen die geballte Bosheit und den absoluten Vernichtungswillen, die er mit einer Intensität ausstrahlte, dass die Kreismitglieder abermals zurückprallten.
Trotz ihrer Angst fand Mereda ihre Haltung schwächlich. Der Erfolg ihres Gegenangriffes gab ihr Mut und neue Kraft. Sie spürte, dass sie gewinnen konnte. Und sie brauchten einen Kampfdämon gegen den Ancen-Turm. Es war umso besser, je wilder und stärker er war. Ein kraftloses Wesen besaß keine Chance gegen den Dämon, den der Ancen-Kreis beschworen hatte.
Dann …
Mereda spürte, wie eine neue Macht nach dem sich zu einem riesigen, quallenartigen Geschöpf formenden Dämon griff, eine Macht, die der ihren grenzenlos überlegen war. Entsetzt blickte sie zu Carda hinüber, für einen Moment von der Angst gepackt, dass die Alte wahnsinnig genug sein könne, ausgerechnet diesen Moment auszunutzen, sie anzugreifen. Aber die Kreisversteherin lag noch dort, wo sie gestürzt war, mit schrecklich verdrehten Gliedern und halb geschlossenen Augen, schauderhafte Töne ausstoßend und blutigem Schaum vor dem Mund. Sie starb.
Nein, was immer sie spürte, kam nicht von Carda. Und diese neue, fremde Kraft wirkte weder besonders bedrohlich noch boshaft. Mereda glaubte eher so etwas wie Neugier zu spüren. Und einen bodenlosen Spott, der den Kreis und den Dämon, den er beschwor, zu verhöhnen schien.
Dann, den Bruchteil eines Gedankens ehe es geschah, spürte sie, auf welch grausame Weise sie sich getäuscht hatte.
Noch während sie die fremde Kraft – und ihre Quelle – zu sondieren versuchte, schlug ein Schwall bösartiger, ungezügelter Energien in den Kreis ein. Mereda sah für Sekunden, die sich zu Ewigkeiten dehnten, um wieder zu Bruchteilen von Augenblicken zu werden, ein Bild von solch abstoßender Hässlichkeit und scheußlicher Blasphemie, dass ihr Herz zu stocken schien.
Mereda schrie gellend auf. Wieder vergingen Ewigkeiten, bis sie begriff, dass sie nicht nur ihr eigenes Schreien hörte, sondern das Schreien und Wimmern des ganzen Kreises. Und das Schreien des beschworenen Dämons, der sich wie unter Folterqualen wand. Einige Ewigkeits-Sekunden später begann der Dämon zu wachsen, erreichte kurze Zeit später die Magier des Kreises und wuchs über sie hinaus.
Das Schreien der Zwanzig erstickte in einem röchelnden Seufzen. Einen Augenblick später wurde es in der Halle der Beschwörung still wie in einer Gruft. Aber es war eine böse Stille, ein drohendes, knisterndes Schweigen, wie die Ruhe vor einem entsetzlichen Sturm. Der Dämon, der zu einer unförmigen, schleimig-wolkigen Masse geworden war, hörte auf zu wachsen. Seine Oberfläche zuckte und wand sich und schillerte in allen Farben des Regenbogens. Seine Ausstrahlung hatte alle ihre Aggressivität verloren. Mereda spürte nur noch eine bodenlose Angst, die sich mit ihrer eigenen Furcht vermischte und sie zwingen wollte sich umzudrehen und davonzulaufen. Gleichzeitig war sie wie gelähmt. Nur mit einem winzigen, klar gebliebenen Teil ihres Verstandes begriff sie noch, dass sie aushalten musste, egal was geschah. Sonst war sie, sonst war der Conden-Turm, waren sie alle verloren.
Mereda bemerkte erst jetzt, dass sie auf die Knie gesunken war und die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Blut lief über ihre Stirn, wo sie die Fingernägel in die Haut gekrallt hatte, aber sie spürte auch jetzt noch keinen Schmerz. Mit jedem bisschen Kraft, das sie noch aufbringen konnte, versuchte sie sich zu
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