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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der nichts als die Decke einer jeder Beschreibung spottenden Höhle war. »Ich gäbe meinen rechten Fuß für ein Stück trockenen Bodens«, seufzte ich.
    Sill antwortete noch immer nicht, aber sie drehte sich zu mir um und sah mich an. Ich erschrak, als ich die tiefen Furchen sah, die die vergangene Woche in ihr Gesicht gegraben hatte. Plötzlich kam mir zu Bewusstsein, dass sie tausendfach stärker unter diesem entsetzlichen Ozean leiden musste als ich. Sie war ein Mensch, der in der Wüste aufgewachsen war. Allein der Anblick einer solch ungeheuren Menge Wasser musste sie zutiefst erschrecken.
    »Es tut mir Leid«, sagte ich.
    Sill lächelte, schüttelte den Kopf und schwieg weiter. Aber in ihren Augen glomm ein sonderbar warmes Licht auf. Sie beugte sich zu mir herüber und strich mir sanft mit der Hand über den Arm.
    »Vielleicht sollten wir zurückfahren«, murmelte ich.
    »Zurück? Gegen die Strömung?«
    »Warum nicht?« Ich wusste, dass ich Unsinn redete, aber ich sprach trotzdem weiter. »Es wäre möglich. Wir könnten aus deinem Burnus ein Segel machen und versuchen, vor dem Wind zu kreuzen.«
    »Das geht?«, erwiderte Sill verwundert.
    »Ein guter Seemann kann gegen einen Sturm anfahren, wenn es sein muss«, sagte ich überzeugt.
    Zum ersten Mal seit vier oder fünf Tagen lächelte Sill. »Bist du ein guter Seemann?«
    Ich zog es vor, nicht darauf zu antworten, und versank wieder in dumpfes Brüten. Ich war müde. Neben dem Hunger war die Langeweile der größte Feind auf dieser Fortsetzung unserer mit einem Male gar nicht mehr phantastischen, sondern höchst lebensgefährlichen Reise. Wie oft hatte ich mir eine etwas längere Pause oder wenigstens eine etwas geruhsamere Episode in dieser Serie gewünscht. Jetzt, als sie da war, hätte ich sie liebend gerne gegen eine handfeste Rauferei mit einem von Nizars Trockenkriegern eingetauscht.
    »Wir werden es schon schaffen«, sagte Sill nach einer Weile. Sie sagte es zum ungefähr dreitausendsten Male, seit wir uns diesem wackeligen Floß und dem Ozean anvertraut hatten. Die ersten zweihundertfünfzig Mal hatte ich ihr sogar geglaubt.
    »Natürlich«, murmelte ich. »Und wahrscheinlich schneller, als wir glauben.« Ich gähnte.
    Ein ganz sachter Ruck ging durch unser Floß.
    Ich blinzelte, sah auf und starrte misstrauisch über das Meer. Nichts. Wahrscheinlich hatte ich mir die Erschütterung nur eingebildet.
    Ein zweiter, schon etwas härterer Schlag traf das Floß und diesmal setzte sich auch Sill kerzengerade auf. Mein Herz schlug ein wenig schneller, als ich mir vorzustellen versuchte, was diese Erschütterungen ausgelöst haben mochte. Vielleicht nur ein unterseeisches Beben. Vielleicht aber auch ein unfreundlicher Bewohner dieses Ozeanes, der aus seinem Schlaf hochgeschreckt war und sich die Flossen oder sonstwas rieb, während er sein Frühstück betrachtete, das da auf einem viereckigen Tablett aus aneinandergebundenen Holzstäben herangeschwommen kam. Ohne dass ich mich gegen die Vorstellung wehren konnte, sah ich plötzlich das Bild des Ozeanes vor mir, wie er sich hob, zu grünschwarzen Hornplatten gerann und einen droschkengroßen Schädel ausspie.
    »Du hast Recht, Sidhi«, sagte Sill leise. Ihre Hand kroch zum Schwert; eine Bewegung, die ganz unbewusst kommen musste, denn gegen die Ungeheuer, die diese unterseeische See bewohnten, waren unsere Waffen reichlich nutzlos. »Möglicherweise sogar sehr viel schneller.«
    Ich kam nicht einmal mehr dazu, sie zu fragen, wie sie ihre Bemerkung gemeint hatte.
    Denn im gleichen Moment, in dem ich mich herumdrehte, um in die Richtung zu blicken, in die ihr ausgestreckter Arm wies, explodierte die See.
     
    Mereda erwachte, als ihr jemand mit einem feuchten Tuch über das Gesicht strich. Sie öffnete die Augen und sah das besorgte Gesicht ihrer Dienerin Xird über sich. Im Blick der Alten lag nackte Angst.
    »Was war das?«, fragte die Greisin mit zitternder Stimme.
    Im ersten Moment begriff Mereda nicht einmal, was Xird überhaupt meinte. Ihr Kopf war wie leergefegt. Dann schlug die Erinnerung mit schmerzhafter Wucht über ihr zusammen. Sie stöhnte, murmelte eine Verwünschung und quälte sich mit schmerzverzerrter Miene hoch. Ihre Hände, die den Assyr-Kristall gehalten hatten, waren verbrannt.
    Aber sie vergaß den Schmerz sofort, als sie an Xird vorbei in den Saal blickte.
    Der Beschwörungssaal bot einen schlichtweg entsetzlichen Anblick. Große Teile des Bodens und der Wände waren von einem schwarz

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