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Hibiskusblüten

Hibiskusblüten

Titel: Hibiskusblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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brauchen?“
    „Das wissen wir eben auch nicht“, sagte er. „Und wir zerbrechen uns schon seit vier Tagen den Kopf darüber.“
    „Seit vier Tagen?“ fragte ich erstaunt.
    „Ja. Vor vier Tagen ist es passiert.“
    „Und da kommen Sie jetzt erst? Wie soll ich denn da noch Spuren oder sonst was finden?“
    „Wir haben das Treibhaus sofort verschlossen“, erklärte er. „Wir dachten zuerst, wir würden es selber herausfinden können. Wir haben alle Leute im Hause ins Kreuzverhör genommen, kamen aber zu keinem Resultat. Außer dem Gärtner, Mister Pickles und mir war in der Zwischenzeit niemand im Treibhaus, es ist also nichts verändert worden.“
    „Hm“, machte ich, „kann man sie essen?“
    „Ich habe noch nie etwas davon gehört. Wir haben auch nicht feststellen können, daß man sie zu sonst was braucht. Sie sind einfach nur schön.“
    Ich dachte eine Weile nach, und McFellow schaute mich erwartungsvoll an. Seine kleinen, durch die starken Brillengläser unnatürlich vergrößerten grauen Augen ruhten wohlwollend auf mir. Sein Gesicht drückte die satte Befriedigung aus, die man empfindet, wenn man einen anderen für sein Geld springen lassen kann.
    „Wenn man diese Blüten zu nichts brauchen kann“, sagte ich, „dann wollte vielleicht jemand Mister Pickles mit diesem Diebstahl ärgern?“
    „Auch das haben wir uns schon überlegt. Aber wir wissen nicht, wer das sein könnte. Bei uns herrscht Friede, und keiner will dem anderen Böses. Es ist sehr rätselhaft, finden Sie nicht? Übernehmen Sie den Auftrag?“
    „Das habe ich ja bereits getan“, erklärte ich, „indem ich seit einiger Zeit angestrengt darüber nachdenke.“
    „Und was wird das kosten?“
    „Zahlen Sie mal fünfzig Dollar an“, sagte ich so gleichgültig wie möglich. „Ich verrechne fünfzehn Dollar pro Tag, Spesen und Sonderauslagen gehen extra. Die Abrechnung erfolgt nach Erledigung des Auftrags.“
    „Fünfzig Dollar!“ rief McFellow entsetzt. „Das ist aber ein unerhörter Vorschuß für eine so kleine Arbeit. Da ist ja nichts Gefährliches dabei, oder? Ich finde das sehr teuer, meinen Sie nicht auch?“
    „Doch“, sagte ich. „Große Sachen, so was mit Gift oder Schießerei, mach ich auch ohne Vorschuß. Aber gerade bei so kleinen Aufträgen muß man hinterher meistens seinem Geld monatelang nachlaufen. Wenn Sie oder Mister Pickles das Geld aber sparen wollen, dann müssen Sie sich den Blütendieb selber fangen. Lester & Lester würden übrigens mindestens das doppelte verlangen, denn die arbeiten zu zweit.“
    „Ich weiß“, nickte er, „ich war schon dort. Also gut, meinetwegen.“
    Er nahm das Geld aus einer grünen, verschabten Brieftasche, die er entweder irgendwo gefunden oder von seinem Vater geerbt haben mußte. Er legte die Scheine so behutsam vor mich hin, als ob sie aus Glas wären.
    „Ich möchte“, sagte er, „keinerlei Kritik an Ihren Denkfähigkeiten üben, aber ich könnte mir vorstellen, daß Sie zur Aufklärung dieses Falles nicht nur an Ihrem Schreibtisch sitzen bleiben können. Ich dachte mir, ich könnte Sie womöglich gleich mit hinaus nehmen? Wir wohnen in den Bergen bei Santa Monica, und...“
    „Leider“, unterbrach ich ihn, „habe ich im Augenblick gar keine Zeit. Ich bin sehr beschäftigt. Ich werde aber morgen vormittag zu Ihnen hinauskommen.“
    Man muß immer so tun, als ob man viel zu tun habe — das steigert nicht nur den Nimbus, sondern auch das Honorar.
    Er verlangte eine Quittung von mir, auf deren Rückseite ich meinen Tagessatz von fünfzehn Dollar aufschreiben mußte, und dann verabschiedete er sich.
    Als er gegangen war, besaß ich zweiundsechzig Dollar und fünfundvierzig Cent. Ich fuhr zu meiner Tankstelle und bezahlte sieben Dollar fünfundzwanzig plus einen Dollar Trinkgeld; anschließend aß ich in meiner Stammkneipe ausgiebig zu Mittag und bezahlte meine Schulden in Höhe von elf Dollar; und weitere sechs Dollar verpraßte ich beim Friseur, dem Kolonialwarenhändler, dem Zigarettengeschäft, und endlich gab ich meiner Zeitungsfrau noch die anderthalb Dollar für die letzten acht Tage. Ich war immer noch ein reicher Mann!
    Ich war der Ansicht, daß ich gut und gern vier Tage brauchen konnte, um den mysteriösen Blütendieb zu erwischen: das wären sechzig verdiente Dollar. Glücklicherweise hatte ich auch bis zu Mister Pickles eine ganz nette Strecke zu fahren, so daß bei den Kilometergeldern und den sonstigen Spesen auch noch einiges herausschauen konnte.

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