Hibiskusblüten
Farben gestickte Blüte — und setzte sich mir gegenüber. Er verschwand fast in dem Stuhl.
„Rauchen Sie?“ fragte er drohend.
„Nein, ich bin Nichtraucher.“
Sein Gesicht wurde um einige Grade freundlicher.
„Das ist gut , sagte er, „ich bin’s nämlich auch. Die Pflanzen vertragen keinen Rauch. Ich verhandle außerdem nicht gern mit Rauchern, weil sie dauernd an ihre Zigaretten denken und nervös werden, wenn sie nicht rauchen dürfen, und keine Zeit haben, um richtig zuzuhören. Haben Sie Zeit?“
„Ja. Soviel Sie wollen.“
„Also, die Sache ist nämlich so: Schon im Vorjahre waren plötzlich die Hibiskusblüten verschwunden. Ich war natürlich sehr traurig darüber und habe auch mit allen Leuten im Haus strenge Verhöre angestellt, konnte aber nichts herausbringen. Da ich von Natur aus friedliebend bin, ließ ich es schließlich auf sich beruhen, ordnete aber an, daß das Treibhaus künftig verschlossen sein müsse. Dieser Befehl wurde auch längere Zeit hindurch befolgt, aber so nach und nach riß die alte Schlamperei wieder ein, und ich muß gestehen, daß ich selber zu nachlässig war, meine Anordnung erneut zu treffen. Und nun — stellen Sie sich das vor —, vor vier Tagen entdeckte ich frühmorgens, daß wieder sämtliche Blüten verschwunden sind. Nicht wahr, Mary-Ann?“
Mrs. Buttom nickte gelangweilt.
„Ja, Onkel Joshua, so hast du’s mir erzählt.“
„So ist es auch“, betonte er.
„Na schön“, sagte sie ergeben, „ich hab’s ja nicht bezweifelt. Aber du weißt doch, daß ich die Treibhäuser nicht betrete. Mir ist es dort zu feucht und zu warm, und seit Mutter..
Sie vollendete den Satz nicht, und Mister Pickles wandte sich wieder an mich: „Diesmal, Mister Stretcher, wünsche ich, daß der Sache auf den Grund gegangen wird. Sind Sie in der Lage, den Dieb zu ermitteln?“
„Ich denke schon.“
„Ich würde es mich diesmal etwas kosten lassen. Vor allem möchte ich wissen, weshalb dieser gottverdammte Kerl ausgerechnet die Hibiskusblüten abzwickt.“
„Meinen Sie nicht“, wiederholte ich die Frage, die ich gestern schon dem Sekretär gestellt hatte, „daß es jemand darauf abgesehen hat, Ihnen Kummer zu bereiten?“
„Nein“, sagte er, „denn ich habe im gleichen Treibhaus Blüten, die noch viel kostbarer und viel seltener sind. Wenn mich jemand ärgern wollte, hätte er diese Blüten gestohlen. Was aber, so fragte ich mich, kann ein Mensch mit Hibiskusblüten anfangen? Sie sind nicht einmal besonders wertvoll, aber ich will einfach wissen, was dahintersteckt.“
Ehrlich gesagt, ich nahm das Ganze einfach nicht ernst. Ein reicher Sonderling machte Wirbel um ein paar Blüten — er konnte sich das leisten, — und wahrscheinlich hatte er sonst keine Beschäftigung. Hätte ich schon damals geahnt, daß ich mitten in eine der größten Mordaffären der letzten zwölf Jahre blindlings hineintappte, dann wäre ich vielleicht von vornherein behutsamer zu Werke gegangen. Vorerst aber, bei diesem Gespräch mit Mister Pickles, schlief mein sechster Sinn noch völlig.
„Ich bin Detektiv, Mister Pickles“, erklärte ich ihm, „und kein Botaniker. Ich weiß nicht, wozu man solche Blüten brauchen kann. Aber der Dieb, der wird’s ja voraussichtlich gewußt haben. Ich muß also versuchen, zunächst einmal das Motiv herauszufinden. Außerdem...“
„Was müssen Sie?“
Ich hatte unwillkürlich etwas leiser gesprochen.
„Das Motiv!“ brüllte ich, „das Motiv muß ich finden! Außerdem möchte ich mir gern das Treibhaus einmal anschauen.“
„Natürlich“, sagte er, „kommen Sie bitte mit. Ich werde es Ihnen sofort zeigen.“
Wir standen auf. Ich sagte zu Mrs. Buttom: „Ist Eve Ihr Töchterchen?“
Sie nickte nur.
„Ein entzückendes Kind“, sagte ich.
„Ja“, sagte sie, aber auch das klang ziemlich gleichgültig, „ja, sie ist ein recht hübsches Kind.“
Ich folgte Mister Pickles durch einen parkähnlichen Garten, in dem ich eine sicherlich sehr kostspielige Anlage für künstliche Bewässerung entdeckte.
Ziemlich weit hinter dem Haus, an der Umfassungsmauer, lagen vier große Treibhäuser und daneben ein kleines Haus mit einem hohen Kamin; vermutlich die Heizung.
Ich machte dem alten Herrn ein Kompliment über die prachtvollen Blumen, die überall im Garten blühten.
„Ich schneide niemals eine Blüte ab“, erklärte er mir, „um sie in eine Vase zu stellen. Abgeschnittene Blüten sind schlimmer als Eunuchen, und ich mag keine Eunuchen
Weitere Kostenlose Bücher