High Heels vs. Turnschuh (German Edition)
Meine Schwiegermutter reiste zwar jedes Wochenende 150 km an, um ihre ausgefeilten Ausflüge an den Mann bringen zu können, aber täglich konnte ich das nicht erwarten, wollte ich ehrlich gesagt auch gar nicht. Auch meine Mutter, konnte ich nicht bitten, da sie gesundheitlich etwas angeschlagen ist. Eigentlich sehe ich mich ja als alleinerziehende Mutter, denn Chris ist beruflich, stark eingespannt, was aber auch finanzielle Vorteile mit sich bringt. Ich verstand daher schon, warum er auf einen Wechsel in Halbtags nicht wirklich Lust hatte.
Vielleicht sollte ich mir einen Job im Büro suchen?
Ja klar, warum bin ich nicht schon viel früher darauf gekommen? Das ist ja wohl die beste Idee die ich seit langem hatte. Allerdings ergaben sich beim Lesen dieser Stellenbeschreibungen, ein paar, klitzekleine Probleme.
Sie verfügen über gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift, sind mit MS Office (Word, PowerPoint und Excel) bestens vertraut und verfügen über Erfahrungen mit Outlook.
Ich kenne Word, das ist kein Problem für mich, aber weder Power Point noch Excell kann ich bedienen. Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht mal, für was man das überhaupt braucht. Erfahrungen in Outlook, Fehlanzeige. Englisch? Wenn man meine Texte nicht liest und mir nicht zuhört, bin ich ganz gut.
Aber es gibt für Frauen die arbeiten wollen, immerhin die Möglichkeit, sich umschulen zu lassen.
Also machte ich mich, mit meinen Jungs, einem Sack voll Hoffnung, mein High-Heels-Leben wieder zurückzuerobern und der Wickeltasche, auf den Weg zum Arbeitsamt.
Mit 2 kleinen Kindern saß ich nun im Wartebereich und vertreib mir seit einer Stunde die Zeit mit Vorlesen, auf die Uhr sehen, Kekse zur Beruhigung verteilen, auf die Uhr schauen.
Neben mir saß eine Frau mit Kopftuch und strickte an einem Pullover für einen XXL-Mann. Gegenüber tigerte ein Halbwüchsiger mit einer Fahne hin und her, dass ich Angst hatte, meine Kinder wären gleich betrunken.
Mit glasigen Augen, aber nicht von der Fahne des Halbwüchsigen, sondern von unterdrückten Tränen, machte ich mir Gedanken, wie es nur so weit kommen konnte. Früher hatte ich in High Heels im P1 meinen It-Girl-Status ausgelebt, heute sitze ich in Turnschuhen, bei mir heißen sie aber immer noch Turinas und mit 2 Kindern auf dem Arbeitsamt.
Endlich wurde die Nummer 234 aufgerufen. Ich sprang auf, das bin ich. Ja so heiße ich. Nicht Frau Fischer, sondern Nummer 234.
»Bitte zeigen sie mir ihre Nummer«, wurde ich sachlich aufgefordert, mich auszuweisen.
Etwas verschüchtert reichte ich der Dame meine gezogenen Zahlen, und durfte dann freundlicherweise ihr gegenüber Platz nehmen. Wie eine Drohne im Nest, saß hinter ihrem Schreibtisch und sah mich, mit ihren auf toupierten, bläulichen Haaren, über ihre goldumrandete Brille hinweg an. So was trägt man doch heute gar nicht mehr, war mein erster Gedanke.
»Die Kinder sind brav?«
»Ähm…ja«, schnell schob ich ihnen noch einen Keks in den Mund. Für 5 Minuten war ich mir sicher.
Bitte keine Belehrungen, ich weiß schon, das darf man nicht. Aber dieser Termin ist wirklich wichtig für mich!
»Die Unterlagen bitte«, sagte die Drohne und streckte mir die Hand entgegen, um die zuhauf, vorher ausgefüllten Formulare entgegenzunehmen.
Wow, dass es schlimm werden würde habe ich geahnt, aber so schlimm? Am liebsten wäre ich gegangen.
Mit dieser verbiesterten, alten, überabeiteten Zicke, die nur im Stenosätzen reden konnte, würde ich sicherlich nicht warm werden.
»Was haben sie künftig vor zu tun? Ich meine, wie stellen sie sich ihre berufliche Zukunft vor?«, fragte sie.
»Äh,…ich dachte,… also vielleicht, ich kann eine Umschulung,… in einem Büro,…also Halbtags, oder so«, stotterte ich, der Deutschen Sprache nicht mehr mächtig, herum.
Sie verstand mich trotzdem. Wahrscheinlich hatte sie öfter mit so Fällen, wie mir, zu tun.
»Und diese Umschulung, die sollen wir also für sie bezahlen?«, fragte die Drohne.
Mein letzter Rest Selbstwertgefühl schmolz wie Eis in der Sonne dahin. Ich fühlte mich wie eine Bittstellerin. Wie ein Drogenjunkie auf der Straße, der die Menschen um einen Euro anbettelte. Fehlte nur noch das Pappkartonschild mit der Aufschrift: „Habe Hunger.“
»Ja,…ich glaub schon«, antwortete ich kleinlaut.
»Mhmm,… haben sie sich mal den Markt angesehen? Jede zweite Mutter will in einem Büro unterkommen um besser mit Kindern planen zu können. Was glauben sie, welche
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