Hilfe, die Googles kommen!
eines Zwitschernden, Tweets genannt, abonnieren. Um im Bild zu bleiben: Man stellt sich unter den Baum des zwitschernden Vogels, um ja kein Gezwitscher zu verpassen. Man »folgt« dem Zwitscherer und wird so, jetzt wird’s wieder englisch, sein »Follower«. 33
Mir fällt übrigens gerade auf, dass die Vogel-Metapher etwas hinkt, wenn ich an die dicke, fette Taube denke, die allmorgendlich vor meinem Fenster ihren gurrenden Radau in meine Träume twittert und mich so unfreiwillig zu ihrem Follower macht.
Einem Twitterer seine Gunst zu entziehen, das Abo seiner Tweets zu kündigen, nennt sich gemeinhin »entfolgen«. Um der Taube zu »entfolgen«, bräuchte ich ein Luftgewehr. Klick – Bumm! Bei einem Twitterer im Netz reicht ein Klick – ohne Bumm! Das ist gesünder für alle Beteiligten und wirft die Frage auf, warum nicht viel mehr Vögel statt im Baum vor meinem Fenster besser im Internet auf Twitter zwitschern.
Für alle Leser, die noch nie einen Tweet gesehen haben, sei hier exemplarisch mal einer von meinem Twitter-Profil
@tobiasmann 34 aufgeführt:
@tobiasmann: Warnhinweis auf dem Produkt »Deutscher Sommer«: Kann Spuren von Sonne enthalten. #Wetter #Regen #Mist 35
Was führte zu diesem Tweet? Im miesen Sommer des Jahres 2012 versuchte ich in einem Anfall von Galgenhumor, dem Regen mit diesem Witzchen ein bisschen Ironie entgegenzuhalten. Alle meine Follower konnten an diesem einmaligen Erlebnis teilhaben.
»Wahnsinn, aber für dumme Sprüche übers Wetter brauch ich doch nicht so ein Twitter-Dings«, werden Sie vielleicht sagen, und damit haben Sie natürlich nicht ganz unrecht. Wenn Sie sich allerdings gerade im Spanienurlaub befinden und nicht nur meinen, sondern auch die zahlreichen anderen Das-Wetter-ist-mies-Tweets deutscher Twitterer lesen, erhalten Sie ein Stimmungsbild und einen guten Eindruck von der deutschen Gesamtwetterlage. Folglich sollten Sie sich überlegen, den Spanienurlaub zu verlängern. 36
Wenn Ihnen das jetzt zu trivial war: Twitter kann auch hinsichtlich der politischen Gesamtwetterlage eines Landes aufschlussreich sein. Beim arabischen Frühling sorgten unter anderem regimekritische Tweets und getwitterte Informationen aus erster Hand dafür, dass die Bevölkerung der betroffenen Länder mobilisiert und die Welt über die Vorgänge informiert wurde. So ist das Medium zum einen ein Hort der freien Rede, und zum anderen bildet sich aus der Masse an subjektiven Tweets eine verhältnismäßig objektive Zustandsbeschreibung.
Mit Twitter wäre die Weltgeschichte mit Sicherheit anders verlaufen. Hätte User @walterulbricht getwittert: »Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. #geruechte #genossen«, wäre er mit zahllosen Gegen-Tweets neutralisiert worden:
@zoni61: »Ach, und das vor meinem Fenster wird ne Datsche, oder was? #ulbrichtluegt«
@ausruinen46: »Aber hier hat jemand die Absicht, von Mauern zu berichten. Fotos anbei. #ulbrichtluegt«
Walter Ulbricht bei Twitter? Ziemlich absurd, klar. Hätte der sich tatsächlich bei Twitter angemeldet, wenn es das damals gegeben hätte? Nun ja, heutzutage entscheiden sich immer mehr Politiker dazu, nicht mehr nur auf Stadtfesten und Wahl veranstaltungen mit potentiellen Wählern einen zu zwitschern. Peter Altmaier von der CDU (@peteraltmaier), Ulrike Flach von der FDP (@ulrikeflach), Hubertus Heil von der SPD (@hubertus_heil), Jürgen Trittin von den Grünen (@JTrittin), Halina Wawzyniak von der Linken (@Halina_Waw) und eigentlich alle Piraten – das sind nur einige Beispiele twitternder Volksvertreter, die das schnelle, direkte Medium nutzen, um sich mit uns Stimmvieh, ob freundlich gesinnt oder nicht, auseinanderzusetzen. Der große Vorteil für sie ist, dass auch Beleidigungen auf 140 Zeichen beschränkt bleiben und sich via Twitter keine Eier oder Farbbeutel werfen lassen.
Das Fieseste, was man tun kann, ist dem verhassten Abgeordneten Video-Links zu den größten Flippers-Hits, alten Pur-Videos oder zu netzweit berüchtigten Ekel-Filmchen zu schicken. Es fragt sich natürlich, was besser ist: echtes Eigelb in den Haaren oder ein digitaler Hartmut Engler, der einen ins Abenteuerland zerren möchte.
Selbst Internet-Verweigerer Peer Steinbrück, der vorher keinen Hehl daraus machte, dass er sich allerhöchstens mal von seinen Mitarbeitern erzählen lasse, was in diesem Internet so passiert, legte sich nach der Ernennung zum Kanzlerkandidaten einen Twitter-Account zu. Fortan saß er hin und wieder mit einem
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