Himmel, hilf!
Sie vielleicht bereit wären, heute Nachmittag ins Krankenhaus zu kommen.” Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang angenehm und selbstsicher. Und hörte er dort wirklich einen erleichterten Unterton heraus?
“Ja, ich komme”, erklärte Greg sofort.
“Natürlich ist mir klar, dass das sehr kurzfristig kommt, und dazu noch in der Weihnachtszeit, aber …”
“Nein, schon gut. Ich komme”, unterbrach ihn Greg. “Um welche Uhrzeit?”
“Würde Ihnen drei Uhr passen?”
“Natürlich.” Doch dann konnte Greg der Versuchung nicht widerstehen, ins Handy zu fragen: “Könnten Sie mir denn sagen, worum es geht?”
“Es wäre mir lieber, wenn wir das hier besprechen könnten.” Nachdem Edward ihm genau erklärt hatte, wo er ihn im Krankenhaus finden würde, beendete er das Gespräch.
“Dann sehen wir uns um drei”, sagte Greg, klappte das Handy zu und ließ es in seine Brusttasche gleiten. Er tat einen tiefen Atemzug und hielt einen Moment die Luft an, bevor er sie langsam wieder ausströmen ließ.
Irgendwie, auf welche Weise auch immer, musste Edward die Wahrheit über ihre Verwandtschaft herausgefunden haben. Offenbar hatte sein Sohn sich daraufhin eines Besseren besonnen und wollte seinen leiblichen Vater nun doch kennenlernen.
Obwohl Greg ihm keine Entschuldigung anbieten konnte für das, was er Catherine angetan hatte, war er für Edwards Entscheidung dankbar. Er wollte, dass sein Sohn wusste, wie stolz er auf ihn war. Natürlich durfte Greg keinerlei Anteil für sich beanspruchen. Edward schuldete ihm nichts. Greg hoffte lediglich, dass sein Sohn ihm eines Tages verzeihen würde. Dass er eine Beziehung zu ihm aufbauen konnte – aber darum würde er nicht bitten. Genau wie alles andere lag das einzig und allein in Edwards Hand.
Langsam wurde die Fahrt in die Stadt schon zur Routine. Greg stellte fest, dass er sich nervös fühlte, gleichzeitig aber auch freudig erregt. Er parkte dort, wo Edward es ihm geraten hatte, und folgte der Wegbeschreibung, die er sich notiert hatte. Erst als er im Aufzug stand, bemerkte er, dass ihn diesmal der übliche Krankenhausgeruch nicht mit Abscheu erfüllt hatte. Das, fand er, war ein gutes Zeichen.
Edward erwartete ihn schon, als sich die Lifttüren öffneten, und begleitete ihn in sein Büro. Mit Befriedigung stellte Greg fest, dass Edwards Arbeitszimmer genauso aufgeräumt und wohlorganisiert aussah wie sein eigenes. Auf dem Schreibtisch des Arztes fanden sich lediglich ein Computerbildschirm, eine Uhr und ein Set mit Kugelschreiber und Bleistift. Ein paar Fotos standen auf dem niedrigen Aktenschrank dahinter. Auf einem von ihnen erkannte Greg Catherine, die neben einem grauhaarigen Endfünfziger stand. Das musste ihr Mann sein.
“Ihre Frau?”, erkundigte sich Greg und wies auf das goldgerahmte Bild einer jüngeren Frau.
Edward nickte.
“Ich war dreimal verheiratet”, stieß Greg hervor, bevor er sich bremsen konnte. Im nächsten Moment hätte er sich am liebsten selbst einen Tritt versetzt.
Zum Glück besaß Edward den Takt, so zu tun, als hätte er die Bemerkung nicht gehört. “Ich nehme an, Sie können sich schon denken, weshalb ich Sie hergebeten habe.”
Es gefiel Greg, dass Edward offen genug war, gleich zum springenden Punkt zu kommen. “Ich habe eine Ahnung.”
“Gut”, sagte der Arzt. Eine gewisse Anspannung schien von ihm abzufallen. “Wenn das so ist, dann würde ich Sie gerne einem ganz besonderen Menschen vorstellen.”
Greg zögerte. “Jetzt?” Eigentlich hatte er gedacht, dass es alle möglichen anderen Dinge zu besprechen gab, bevor er irgendjemand weiteren kennenlernte. Aber gut, sollte sein Sohn ruhig den Kurs vorgeben.
“Sie haben doch nichts dagegen?”
“Nein, in Ordnung.” Nachdem sein letzter Versuch, Edward zu sehen, kläglich gescheitert war, empfand Greg einfach nur Dankbarkeit, eine zweite Chance zu bekommen. Gott sei Dank hatte Edward mit keinem Wort auf die Ereignisse bei ihrer letzten Begegnung angespielt.
Der Arzt geleitete ihn zu den Aufzügen, und gemeinsam fuhren sie ein paar Stockwerke in die Höhe. Als die Türen aufglitten, schienen sie sich auf einer Kinderstation zu befinden. Greg runzelte die Stirn, stellte aber keine Fragen. Schweigend folgte er Edward zu einem Zimmer ganz am Ende des Ganges.
“Das ist Tanner Westley”, flüsterte Edward und nickte in Richtung des schlafenden Jungen.
Die medizinischen Geräte, von denen Schläuche in den kleinen Körper führten, ließen keinen Zweifel
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