Himmel, hilf!
Beerdigung hatte, war der Tiefpunkt seines Lebens gewesen. Doch jede Beschimpfung, die Phil ihm damals an den Kopf geworfen hatte, hatte Greg seitdem mehr als einmal gegen sich selbst gerichtet.
Sobald Greg den Kreditantrag der Pacific Union Bank fertig ausgefüllt hatte, ging er zu seinem Auto zurück. Die Gebühr, die er beim Parkplatzwächter entrichten musste, kam schon beinahe einem Lösegeld gleich. Aber statt sich zum St. Francis Hotel zu wenden und sich wie üblich einen Drink zu genehmigen, fuhr er nach Viewcrest. Auf dem dortigen Friedhof lag seine Mutter.
Mehr als eine Stunde verbrachte er damit, die grasbewachsenen Gräberreihen abzulaufen, bevor er den Stein seiner Mutter fand.
Lydia Smith Bennett, 1930–1989.
Er stand lange da und betrachtete die Inschrift. Den Stein hatte Phil in Auftrag gegeben, so wie er alle Einzelheiten rund um die Beerdigung organisiert hatte.
Greg stand zum ersten Mal seit der Trauerfeier an ihrem Grab. Endlich schüttelte er den Kopf und wischte sich die Tränen von den Wangen. Aber das überwältigende Gefühl, dass so viel ungesagt geblieben war, ließ sich nicht einfach wegwischen.
Ich habe dich geliebt, Mom. Wirklich. Es tut mir so leid …
“Hat eine von euch ein Taschentuch?”, schluchzte Mercy. Als niemand antwortete, warf sie sich Goodness in die Arme und wischte sich die Augen an dem weichen Ärmel der Freundin ab.
“Würdest du das bitte lassen?” Goodness klang verdächtig gedämpft, als sei sie selbst den Tränen nah.
Auch Shirley musste sich anstrengen, sich von ihren Gefühlen nicht überwältigen zu lassen. Dazu tat es einfach zu weh, Greg so zu sehen: gebrochen und verzweifelt. Man erkannte ihn kaum wieder. Shirley wusste nicht, wann oder wie es angefangen hatte, aber irgendwie war ihr dieser Mann allmählich ans Herz gewachsen. Und Goodness und Mercy schien es auch nicht anders zu gehen.
“Wir müssen einfach etwas unternehmen, um Greg zu helfen!”
“Das versuchen wir ja schon”, wandte Shirley ein.
“Aber es geht ihm wirklich schlecht.”
“Ich vermute, dass es sogar noch schlimmer kommt.” Aus Angst vor dem, was die Zukunft bringen würde, flüsterte Shirley die Worte beinahe.
“Sag, dass das nicht wahr ist.” Mercy schluchzte noch lauter als zuvor.
“Sein Bruder lehnt den Kreditantrag ab, stimmt’s?”
Shirley konnte sich nicht vorstellen, dass Phil eine andere Entscheidung treffen würde, und sagte das auch.
“Aber nicht, solange ich dabei ein Wörtchen mitzureden habe!”, rief Goodness aus. “Ich finde, es wird Zeit, dass ich mich noch einmal zur Chorprobe aufmache.”
“Goodness, nein!”
“Es ist mir egal, ob Gabriel mich danach in den himmlischen Chor schickt oder mich sogar zum Tordienst abstellt. Vorher werde ich Phil Bennet gründlich meine Meinung sagen.”
“Goodness!”, keuchte Mercy entsetzt.
“Was?”
“Goodness”, setzte Shirley an. “Du …”
“Ich komme mit.” Von der Seite warf Mercy einen Blick auf Shirley.
Diese sah, dass ihr keine andere Wahl blieb. “Also gut. Aber wir können nicht alle drei in den Chor gehen.”
“Warum nicht?” Mercy eilte bereits hinter Goodness her.
Staunend schüttelte Shirley den Kopf. Sie würden schon wieder Gabriels Zorn heraufbeschwören, so viel war sicher. Hoffentlich würde sich das Opfer, das sie für Greg Bennett brachten, wenigstens auszahlen.
“Phil! Hast du auch nur ein Wort von dem mitbekommen, was ich den ganzen Abend über geredet habe?”
Phil senkte die Zeitung und sah seine Frau an. “Wie meinst du das?”
Doch Sandy warf lediglich mit einem entnervten Stöhnen den Kopf zurück, um gleich darauf in der Küche zu verschwinden.
Widerstrebend folgte Phil ihr. Er hätte ahnen können, dass er mit seinem Ausweichmanöver nicht einfach davonkam. Nach so vielen Jahren Ehe gab es nicht viel, was er vor Sandy verbergen konnte. Er
war
tief in Gedanken versunken gewesen, das stimmte. Und wieder einmal ging es um seinen Bruder – diesen nichtsnutzigen, verantwortungslosen Tunichtgut, der früher einmal der Liebling aller gewesen war. Aber die Zeiten waren vorbei.
“Greg ist heute Nachmittag in die Bank gekommen”, erzählte Phil beiläufig, während er sich einen Becher Kaffee eingoss.
Zumindest hatte er damit Sandys Aufmerksamkeit geweckt. “Hast du ihn gesprochen?” Sie wusste so gut wie er, dass die Brüder seit der Beerdigung kein Wort mehr miteinander gewechselt hatten.
“Äh, nein.” Er zog die Schultern hoch und versuchte, eine
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