Himmel, Polt und Hölle
ich bring's nicht fertig.
Bevor die Sachen in seinem Preßhaus und im Keller verkommen - könntest du
alles für mich einsammeln?“
„Die tote Krähe auch?“
„Esel. Natürlich nicht.“ Karin sperrte die Haustür
auf. „Früher war im Dorf jedes Tor offen. Da hat sich viel geändert, leider.
Komm in die Küche, Simon.“ Sie öffnete die Kühlschranktür. „Was könnte ich dir
anbieten? Diät-Früchtejoghurt, zum Beispiel. Nur 1 % Fett!“
„Also her damit.“
Karin entfernte den Staniolverschluß und leckte ihn
sauber. Polt beobachtete sie. „Sehr nett machst du das!“
„Vergiß nicht, daß du einen Nachtdienst hinter dir
hat, schlecht aufgelegt bist und meine Hilfe brauchst.“
„Schon gut. Also, wie anfangen? Ich hab dir ja schon
ziemlich viel erzählt. Heute nacht sind noch Aspekte dazugekommen, skurrile
und rabenschwarze.“
Polt berichtete.
Karin schaute ins Leere. „Arme Amalie, armer Virgil
Winter, auch wenn er recht haben sollte.“
„Mir leuchtet nicht alles von dem ein, was er sagt.
Vielleicht bin ich aber auch einfach zu blöd dazu. Immerhin wird aus dem
Wirrwarr schön langsam eine Geschichte. Sie hat aber zwei unangenehme Fehler:
Ich kenn das Ende nicht und mittendrin gibt's einen Knick, den ich mir nicht
erklären kann.“
„Und wenn der Knick die Erklärung ist? - War nur so
dahingedacht.“
Polt schaute überrascht hoch. „Wenn du damit recht
hast, Karin...“
„Was dann?“
„Egal. Tolle Idee jedenfalls!“ Er küßte sie
feierlich. „War das jetzt das Nichts-zu-holen-stimmt-nicht von vorhin?“
„Noch nicht ganz.“
Am Nachmittag klemmte Polt einen dicken Stapel von
Einkaufstaschen aus Papier und Plastik auf seinem Gepäckträger fest und radelte
los. Wie üblich mußte er das letzte Stück der Kellergasse schieben. Als er sich
dem Preßhaus näherte, in dem Franz Fürst zuletzt gewohnt hatte, erschrak er
heftig, weil er auf der Wiese davor jemanden liegen sah. Bald aber erkannte er
den schlafenden Bruno Bartl. „He, Bruno! Aufwachen!“
Bartl schlug die Augen auf. „Herr Inspektor Polt!
Bringen Sie auch was zurück?“
„Nein, ich nicht. Aber was bringst du zurück?“
Bartl holte eine leere schlanke Flasche aus dem
Hosensack. „Die da. Weil sie nicht mir gehört.“
„Um Himmelswillen, Bruno! Was war da drin?“
„Schnaps. Der Herr Fürst hat auch Schnaps machen
können.“
Polt konnte sich nicht zurückhalten und nahm den
schmächtigen Mann für ein paar Sekunden in die Arme. „Entschuldige, Bruno. So
ist das also! Und bei der Gelegenheit schaust du auch gleich nach, ob sich
noch eine volle Flasche findet?“
„Dem Herrn Fürst wär's recht gewesen. Und die leere
bring ich dann zurück.“
„Noch was, Bruno, weil gerade von Flaschen die Rede
ist. Du hast doch einmal gesagt, daß der Pfarrer die Amalie umgebracht hat,
weil sie an seinem Wein gestorben ist. Hast du damit vielleicht auch gemeint,
daß ihr der Pfarrer den Wein gegeben hat?“
„Hab ich. Die Amalie hat's mir erzählt, am Abend,
bevor sie gestorben ist.“
„Herrgott, also doch! Weißt du mehr darüber?“
„Lieb wollte er halt sein, der hochwürdige Herr
Pfarrer.
„Und weiter?“
„Nichts. Was ist jetzt mit dem Schnaps, Herr Inspektor
Polt?“
„Na, gut. Komm! Ich helf dir suchen.“
Tatsächlich lag im Keller eine mit farbloser
Flüssigkeit gefüllte Flasche. Polt öffnete sie, roch daran, kostete vorsichtig
und gab sie Bartl. „Da, Bruno! Übertreib nicht damit. Und jetzt werf ich dich
hinaus, es wartet eine Menge Arbeit auf mich.“
Gegen Abend waren die Säcke prall gefüllt. Polt verknotete
sie mit Spagat, den er gefunden hatte, und behängte sein Fahrrad über und
über. Staubig und verschwitzt machte er sich auf den Heimweg. Sein Versuch,
Aloisia Habesams Gemischtwarenhandlung ungesehen zu passieren, scheiterte.
Muränengleich schoß die rüstige Kauffrau aus dem Gewölbe.
„Da schau her, ist es also endlich so weit! Das
kommt davon, wenn man sich ein Preßhaus kauft, statt Miete zu zahlen. Kein
schönes Leben auf der Straße, wie? Wollen S' einkaufen, Herr Polt? Ich hab
Inländerrum im Sonderangebot.“
„Ich bin nur der Nachlaßverwalter vom Franz Fürst,
Frau Habesam.“
„Hoffentlich haben S' wenigstens auch die Karin geerbt
von ihm.“
„War nicht notwendig.“
„So? Nicht? Und was ist mit dem Herrn Pfarrer? Hat
er schon eine Neue oder weint er sich noch immer die Augen aus?“
„Keine Ahnung. Aber jetzt frag ich Sie einmal was,
weil
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