Himmel uber Langani
vor. Sie durfte es nicht länger hinausschieben. Camilla rief Tom an.
»Du kannst doch jetzt nicht wegfahren«, entsetzte er sich. »Alles ist bereit, um mit Saul deine neue Perlenkollektion vorzustellen. Er ist ganz begeistert, und er wird toben vor Wut, wenn du die Interviews, die Fernsehauftritte und die Werbeveranstaltungen in den Staaten platzen lässt.«
»Ich bin rechtzeitig zurück.«
»Aber wir haben nächsten Montag eine Besprechung mit ihm. Was ist damit?«
»Sag ihm, ich hätte Mumps, und das sei ansteckend.«
»Das kannst du ihm selbst sagen«, entgegnete Tom.
»Sei kein Frosch, Tom. Ich habe seit Monaten keinen Fototermin und keine Besprechung mehr versäumt, nicht einmal als Mutter so krank war. Ich komme nie zu spät, und ich brülle den Fotografen auch dann nicht an, wenn er fünfhundert Bilder macht, obwohl zehn genügen würden. Ich bekomme keine Wutanfälle und behaupte auch nicht, dass ich Kopfschmerzen oder meine Periode habe, damit ich aus dem Studio stolzieren kann. Also gönn mir auch mal eine Pause.«
»Wohin willst du?«
»Weg.«
»Verschweigst du mir etwas? Habe ich Grund, mir Sorgen zu machen? Ist etwas mit dir und Edward?«
Lachend legte sie auf. Im nächsten Moment jedoch bekam sie Skrupel. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Tom hatte Recht. Schließlich hatte sie hier in London, in Paris und in den USA Termine. Edward hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie hatte sich vorgemacht, dass Anthony ihr nichts mehr bedeutete. Aber nun wusste sie nicht, ob sie ihm würde gegenübertreten können. Monatelang hatte sie darum gerungen, ihn zu vergessen und sich von der Kränkung und dem Schmerz zu erholen, die er ihr zugefügt hatte. Sicher würde er zur Hochzeit eingeladen sein. Und er würde sich nicht verändert haben. Camilla setzte sich aufs Bett, und ihre kindliche Begeisterung verflog, als sie sich alles gründlich durch den Kopf gehen ließ. Wenn George bereit gewesen wäre, sie zu begleiten, hätte sie sich sicherer und selbstbewusster gefühlt. Aber es sah ganz danach aus, als sei er bereits im Begriff, die Überreste seines langen und unglücklichen Familienlebens hinter sich zu lassen. Edward war der Einzige, dem sie vertrauen konnte, und der riet ihr von dieser Reise ab. Wahrscheinlich war es wirklich die beste Lösung, wenn Hannah und Lars später nach London kamen. Es würde ihnen sicher hier gefallen. Sie warf einen Blick auf ihre Koffer, die oben auf dem Schrank lagen, und zuckte die Achseln. Ihr Leben fand nun einmal hier in London statt. Und deshalb war es zwecklos, alte Wunden aufzureißen und sich mit Träumen aus der Vergangenheit zu quälen, die niemals wahr werden würden.
Kapitel 31
Kenia, April 1966
S arah war dabei, als das Paket in Langani eintraf. Sie sah zu, wie Hannah das Seidenpapier aufriss und in die Schachtel starrte, bevor sie den Inhalt herausnahm. Das bodenlange Kleid bestand aus dicker cremefarbener Seide. Saum und Nähte waren mit Satinbändern eingefasst und mit Glaskugeln und Perlen bestickt. Doch vor allem beim Anblick der Jacke verschlug es ihr den Atem. Sie war kurz, aus unglaublich weichem Wildleder gemacht und mit winzigen weißen Federn, afrikanischen Perlen und Zuchtperlen verziert. Der Stehkragen und die Manschetten waren ähnlich geschmückt. Am Kragen befand sich zudem eine Seidenkordel mit silbernen und gläsernen Perlen als Abschluss. Dazu gehörte eine genauso bestickte Wildlederkappe mit einigen weißen Federn und einem kleinen Tüllschleier. In ihrer Karte hatte Camilla geschrieben, dass die Rohseide und das Wildleder aus Marokko stammten. Die Verzierungen seien alle auf dem afrikanischen Kontinent hergestellt. Kleid und Jacke habe sie selbst entworfen und wolle damit etwas zu Hannahs Ehrentag beitragen.
»So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen, Han.« Sarah strich über das zusammengefaltete Kleid. »Probier es an.«
»Ich dachte, du wolltest dich um mein Hochzeitskleid kümmern«, meinte Hannah. »Du hast mich doch vermessen.«
»Ich habe die Maße an Camilla geschickt. Sie wollte dieses Kleid für dich nähen.«
Hannah las die Karte noch einmal. Eigentlich hatte sie gehofft, dass sie alle drei an ihrem Hochzeitstag zusammen sein würden. Aber Camilla hatte gesagt, sie könne nicht kommen. Berufliche Termine und Verpflichtungen, vor denen sie sich nicht drücken dürfe. Sie freue sich über die gute Nachricht und sei überglücklich. Außerdem wünsche sie ihnen alles Gute und werde an sie denken. Aber sie
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