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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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begreife dich nicht.«
    »Das musst du auch nicht.« Mit einem Blick auf das bemalte Zifferblatt der unter ihrer Glasglocke dahintickenden Uhr auf dem Kaminsims erhob er sich. »Ich will mich noch umziehen, ehe der Tee drüben serviert wird. Mal sehen, wie sehr sich der herrschaftliche Fisch inzwischen am Köder festgebissen hat.«
    Während auf Oakesley Manor die letzten Lichter gelöscht wurden, blinzelte im oberen Stockwerk von World’s End noch das schwache Flämmchen einer heruntergedrehten Lampe in seinem Glaszylinder. Helena lag noch immer wach und starrte an die Decke, während ihre Gedanken umherhuschten, sich den Weg versperrten, Haken schlugen, einander wieder im Kreis herumjagten, wie sie es schon den ganzen Tag getan hatten, den sie rastlos im Haus umhergewandert war, aber sie fand keine Lösung, keinen Ausweg. Es war frostig im Zimmer, und doch glaubte sie, keine Luft mehr zu bekommen. Sie schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett, eilte mit bloßen Füssen über den unebenen Holzboden, riss das Fenster auf und sog tief die nasskalte Nachtluft ein. Es regnete, wieder einmal, und durch das gleichmäßige Rauschen drang das Donnern der Brandung an den Klippen. Seit sie englischen Boden betreten hatte, war ihr kalt gewesen, und nachdem ihre Mutter gestorben war, schien etwas in ihr eingefroren zu sein. Sie sehnte sich nach Sonne, nach Sonne und Wärme und einem leichten Herzen, wie sie es als Kind in Griechenland gehabt hatte. Würde sie nie wieder gute, sorglose Zeiten erleben?
    Ein Geräusch schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Knatternd flog ein Vogel auf, krächzte mein , mein , mein , und dann hörte sie einen Hufschlag, der sich in schnellem Galopp in der Dunkelheit verlor.
    Rasch schlug sie das Fenster zu und sprang wieder in ihr Bett, verkroch sich unter der Decke, in der sich über die Jahre die Federn zu festen Klumpen zusammengeballt hatten, doch ihr furchtsam schlagendes Herz wollte sich nicht beruhigen. Ein Schluchzen kroch ihr die Kehle hoch; sie spürte Tränen hinter ihren Augen, doch sie biss die Zähne zusammen, kniff die Augen fest zu. Ich werde einen Weg finden , versprach sie sich selbst, es muss einen geben – es muss …

3
    » W enn wir für die Möbel auch nur einhundertfünfzig Pfund bekämen, könnten wir schon einen Teil der Schulden decken.« Helena legte den Federhalter neben das Blatt, auf dem sie Schätzwerte addiert hatte, und blies sich in die geballten Fäuste. Selbst das hoch auflodernde Feuer hier in der Küche konnte der feuchtkalten, nebligen Luft des späten Vormittags kaum Einhalt gebieten, die durch Ritzen im Mauerwerk hereinzog. Sie griff nach einem der pappig schmeckenden Plätzchen, die Margaret aus wenig Butter, noch weniger Zucker und viel billigen Haferflocken buk.
    »Selbst wenn – wie willst du den Rest begleichen? Immerhin noch fünfhundertfünfzig Pfund. Und dann haben wir noch nichts zum Leben.« Margaret biss den Faden ab und betrachtete prüfend ihre Flickarbeit an einem von Jasons Hemden.
    Helena zuckte mit den schmalen Schultern. »Als Gouvernante Arbeit suchen, als Näherin – das wird sich finden. Ich habe mir gestern beim Pastor die Wochenendzeitung ausgeliehen – ein paar Annoncen sind dabei, die sich gut anhören, und er hat mir auch noch zwei Adressen in Exeter gegeben.« Sie gab sich selbstbewusst, aber Margaret konnte die Unsicherheit in ihrer Stimme heraushören. Ebenfalls in Trauer gekleidet, das grau gesträhnte Haar straff zurückgebunden, seufzte sie unhörbar auf, ehe sie ihre Hand über den Tisch streckte und Helenas kalte, tintenbefleckte Finger damit umschloss.
    »Ich will deine Hoffnungen nicht zunichte machen, mein Kind, aber wir beide wissen, dass du keine einzige gerade Naht zustande bringst, und außer dem bisschen Griechisch, das dir nach all der Zeit in Erinnerung geblieben ist, weißt du nur das, was du dir angelesen hast. Das wird nicht reichen, um – «
    Der Klang des Türklopfers hallte wie ein Donnerschlag durch das Haus und ließ beide auffahren.
    »Grundgütiger, wer mag das bloß sein«, murmelte Margaret und erhob sich hastig, das Hemd in einem unordentlichen Bündel zwischen Helenas Tintenfaß und den geschälten Kartoffeln und Rüben für das Mittagessen zurücklassend.
    »Wahrscheinlich ein verspäteter Kondolenzbesucher – wir hatten vor dem Begräbnis ja so viele davon«, gab Helena sarkastisch zur Antwort und wandte sich wieder ihrer Aufstellung des entbehrlichen Inventars zu. Sie war müde und

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