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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Ende sein. Wo treibst du dich herum? Schicklichkeit, Pünktlichkeit und in der Öffentlichkeit angemessenes Benehmen scheinen dir noch immer fremd zu sein!« Mit diesen Worten deutete er auf ihre verschmutzten Schuhe, mit denen sie nun leider genau im Lichtkegel der Lampe aus der Bibliothek stand.
    Erschrocken über seinen barschen Tonfall und die Tatsache, dass er über ihre Verabredung Bescheid wusste, runzelte Demy die Stirn. Bisher hatte sie angenommen, er interessiere sich nicht weiter für sie. Hatte er sie im Park mit den Kindern gesehen? Oder war sie von einem seiner Bekannten beobachtet und an ihn verraten worden? Verlor sie nun ihre kleine »Schule«, das Einzige, was ihr wirklich Freude bereitete und wobei sie sich nützlich vorkam?
    Trotzig straffte sie die Schultern und hob den Kopf. Sie würde für ihre Schüler kämpfen! Zum einen, weil sie es verdienten, besser gefördert zu werden, zum anderen, weil sie nicht gewillt war, schon wieder klein beizugeben und sich ihre einzig sinnvolle Tätigkeit verbieten zu lassen. Sollte er sie doch heimschicken!
    Ein klein wenig zwickte sie das schlechte Gewissen, denn natürlich hatte sie ihre Schüler vor dem Dunkelwerden entlassen. Sie selbst allerdings war noch längere Zeit im Tiergarten geblieben, um die Wasservögel zu beobachten, Steine in den Teich zu werfen und im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit endlich einmal wieder ungestüm über eine Wiese zu rennen. Womöglich war sie bei diesem unangebrachten Tun von jemandem erkannt worden?
    »Heute habe ich Professor Barna getroffen und er erzählte mir eine eigenartige Geschichte von dir, Fräulein Pfister und seiner Tochter. Fräulein Barna muss kürzlich bei eurem gemeinsamen Stadtbummel verletzt worden sein. Ein Gentleman wie er äußerst natürlich keine Vorwürfe, doch drängt sich mir der Verdacht auf, dass die beiden wohlerzogenen jungen Damen nur unter deinem Einfluss auf den irrwitzigen Gedanken kommen könnten, sich in der Nähe der Alten Synagoge herumzutreiben.« Meindorff taxierte sie mit seinen dunklen, vorwurfsvoll blickenden Augen.
    Noch ehe sie ein Wort der Verteidigung oder des Trotzes vorbringen konnte, fuhr Meindorff fort: »Es mag angehen, dass diese fehlgeleiteten Frauen in Hosen und mit kurz geschnittenen Haaren sich allein in Gegenden herumtreiben, die nicht einmal ehrbare Männer freiwillig betreten. Doch von der Schwester einer Frau Meindorff erwarte ich, dass sie niemals ohne Begleitung unterwegs ist und sich nicht an Orten herumtreibt, wo zügellose Kreaturen zu finden sind. Ebenso wie ich Zurückhaltung, Zucht, Höflichkeit, Freundlichkeit …« Die Schimpftiraden des Hausherrn wurden zunehmend lauter. Irgendwann lauschte Demy nur noch auf das Echo seiner Worte in der Halle und bemerkte die sich mehrmals leise öffnende und schnell wieder schließende Tür zum Nebenflügel des Gebäudes. Ihre Augen hielt sie auf das Gesicht des Schimpfenden gerichtet, dessen Gesichtsfarbe immer dunkler wurde, während sie sich fort an die tosend gegen das Ufer schlagenden Wellen der niederländischen Nordsee träumte.
    Demy wurde erst wieder in die Gegenwart zurückgeholt, als der Mann vor ihr förmlich nach Luft schnappte, sich seinen linken Arm rieb, als habe er Schmerzen und sie als unerzogenes, aufmüpfiges, ihn ausblutendes Gör beschimpfte, ehe er sie auf ihr Zimmer schickte.
    Umgehend folgte Demy dieser Aufforderung. Sie lief durch das Foyer und flüchtete sich hinter die Tür zu den Wirtschaftsräumen, obwohl ihr der Zutritt dort eigentlich auch untersagt war. Zitternd lehnte sie sich an die kühle Wand. Ihr Herz klopfte wild, und obwohl sie viele seiner Worte gar nicht bewusst wahrgenommen hatte, schien sein Gebrüll noch immer in ihrem Kopf widerzuhallen.
    Wie erwartet verschwanden einige der dienstbaren Geister des Hauses eilig in den abzweigenden Zimmern. Nur Henny blieb zurück, den Kopf tief gesenkt, sodass ihr die roten Haare über das Gesicht fielen. »Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen Ärger bekommen haben!«, flüsterte sie kaum hörbar.
    »Deinetwegen?« Das Mädchen schüttelte den Kopf, da sie nicht verstand, wie das Dienstmädchen auf diesen Gedanken kam. »Ihre Ankunft zu so später Stunde hat den Herrn Rittmeister sehr überrascht. Er will sich doch nicht mit mir erwischen lassen, obwohl das wohl in vielen Häusern so gehandhabt wird. Aber er konnte ja nicht wissen, wer sich in der Halle aufhielt und schickte mich schnell davon. Ich glaube, Männer vertragen es nicht

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