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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Duft einer parfümierten Seife ein, doch da begann sie bereits, sich gegen seine Nähe zu sträuben.
    »Keine Angst, so schnell falle ich nicht in Ohnmacht«, spottete sie gutmütig. Zwar fiel Hannes in ihr Lachen ein, aber sie loszulassen fühlte sich an, als würde sich seine Haut ablösen. Er war jedoch nicht der Typ, der sich lange unangenehmen Gefühlen hingab. Vielmehr freute er sich darüber, dass er sie wenigstens einmal im Arm gehalten hatte und nun wusste, wie sie duftete. Das musste für heute genügen!
    »Sie sollten mich nach Hause bringen, Herr Meindorff. Ich muss morgen früh pünktlich vor dem Fabriktor stehen.«
    »Ungern«, erwiderte er und zwinkerte ihr zu, was sie zum Lachen brachte. Diesmal schlug sie sein Angebot aus, sich erneut bei ihm unterzuhaken. Es war, als habe sie sich darauf besonnen, mehr Abstand zu ihrem Begleiter einzuhalten. Hannes nahm auch dies hin.
    Auf dem Weg zu ihrem Elternhaus unterhielten sie sich über unverfängliche Nebensächlichkeiten. Unterdessen war die Dämmerung in die Nacht übergegangen, und als Hannes Edith vor die Haustür geleitete, stand ein großer, fast vollkommener Mond am Himmel. Sein fahles Licht beschien Ediths rundes Gesicht und hob eine gelöste Haarsträhne hervor. Hannes streckte die Hand aus, um sie ihr aus der Stirn zu streichen, doch Edith war schneller. Verlegen bot er ihr die erhobene Hand zu einem verabschiedenden Händedruck. Zügiger als von Hannes erwünscht öffnete Edith die Tür, huschte hindurch und schloss sie hinter sich.
    Hannes’ Schultern sackten herab. Er hatte auf eine zärtliche Berührung, auf ein Lächeln, das Zuneigung verriet oder zumindest auf eine neue Verabredung gehofft, aber all dies blieb ihm versagt. Ob sie seine Gesellschaft nicht so genoss wie er die ihre? Er drehte sich um, ging langsam die Stufen hinunter und trat am Straßenrand zu seinem geparkten Daimler. Sie ist einfach nur wohlerzogen und ein bisschen schüchtern , sagte er sich. Immerhin hatte sie bereits drei Treffen mit ihm zugestimmt, wenngleich diese immer in Gesellschaft stattgefunden hatten. Vielleicht sollte er es einmal wagen, sie zu einem Spaziergang mit ihm allein einzuladen?
    Nachdem er die Automobiltür geöffnet hatte, wandte er den Kopf. Ediths Silhouette am Fenster hob sich deutlich vor dem Lichtschein aus dem Zimmer ab. Sie winkte ihm zu, bevor sie die Vorhänge zuzog. Auf Hannes’ Gesicht breitete sich ein fröhliches Lächeln aus, ehe er endlich einstieg und in Richtung Groß-Lichterfelde fuhr. Die Tatsache, dass der Zapfenstreich längst überschritten sein würde, bis er dort ankam, verdrängte er mühelos aus seinen Gedanken. Diese drehten sich einzig und allein um Edith.

Kapitel 16
    Berlin, Deutsches Reich,
März 1908
    Fünf Wochen dauerte Demys tägliches Benimm-Training bei Henriette Cronberg nun schon an, und seit der gleichen Zeit erhielt sie außer Französisch-, Deutsch- und Englischunterricht auch Stunden in Literatur, Kunst, Mathematik und Leibesertüchtigung.
    Für den heutigen sonnigen Aprilnachmittag setzte die Gouvernante auf eine »praktische Übung«, wie sie sich mit einem fröhlichen Lächeln ausdrückte. Sie und Demy würden der Einladung von Fräulein Margarete Pfister folgen und an einem geselligen Nachmittag teilnehmen.
    Zuvor war geplant, Fräulein Adele Boehmer in Schöneberg abzuholen, um anschließend zurück zum Kurfürstendamm zu fahren, einem ehemaligen Waldweg Richtung Jagdschloss Grunewald , der auf Wunsch Bismarcks zu einem über 50 Meter breiten Boulevard ausgebaut worden war.
    In der Kutsche der Familie Meindorff erklärte Henriette dem aufgeregten, sorgfältig herausgeputzten Mädchen, dass die Stadt Berlin mittlerweile zwar bis nach Schöneberg hinausgewachsen, Schöneberg selbst aber nicht eingemeindet war. »Vor neun Jahren ist der Viktoria-Luise-Platz, benannt nach der einzigen Tochter des Kaiserpaares, festlich eingeweiht worden, und um diesen herum wohnen nun vor allem Beamte, Militärs und andere Leute, die sich ein Haus in dieser Gegend leisten können.«
    Demy ließ auch diese Belehrung über sich ergehen. Wenig begeistert schaute sie an ihrem mintfarbenen Rock mit der dunkelblauen Schärpe hinunter und fragte sich, ob sie mit diesem und der aufwendigen Aufsteckfrisur für einen Nachmittagsbesuch nicht etwas übertrieben ausstaffiert war. Aber Henriette hatte sowohl den bodenlangen Rock und das Bolerojäckchen als auch den breitrandigen, mit cremefarbenem Chiffon bespannten Hut und ihre

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