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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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sein, wenn geplant war, ein paar Tage in dieser herrlichen Stadt und bei meiner Schwester zu verbringen? Was veranlasst uns, wie Diebe auf der Flucht alle Pläne über den Haufen zu werfen?«, begehrte Tilla auf.
    Joseph beachtete ihren Einwand nicht, sondern winkte Jakow, damit er seiner Frau endlich in den Mantel half, während er sich an Anki wandte. »Es war reizend, Sie kennenzulernen, Cousine Anki. Wir statten Petersburg gewiss eines Tages wieder einen Besuch ab. Und natürlich heißen wir Sie jederzeit gern in Berlin willkommen!«
    Obwohl es unhöflich war, ließ Anki den Mann einfach stehen; nicht nur, weil sie sein Verhalten vollkommen unangebracht fand, sondern hauptsächlich, weil sie befürchtete, er würde ihr nicht einmal genug Zeit lassen, um sich richtig von Tilla zu verabschieden. Diese schlüpfte in ihren Mantel und nahm dann Anki in den Arm. Beschämt flüsterte sie: »Entschuldige bitte. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist.«
    »Schade, dass du schon gehen musst. Aber ich wünsche dir und deinem Mann noch eine wunderbare Reise.«
    Sie spürte, wie Tilla sich in ihren Armen versteifte und warf einen missbilligenden Blick auf den wartenden Mann, der schon wieder voll Ungeduld dazu übergegangen war, mit dem Stock auf den Boden zu klopfen. Was mochte nur zwischen ihm und Tilla vorgefallen sein?
    »Grüß mir die kleine Demy herzlich, wenn du zurück in Berlin bist, ja?«
    »Sicher, Anki«, erwiderte Tilla zerstreut und löste sich aus ihrer Umarmung. Mit einem letzten mühsamen Lächeln verließ sie das Haus.
    Kaum war sie eingestiegen, hörte Anki auch schon, wie Joseph mit dem Spazierstock ruhelos gegen die Kutschenwand klopfte. Der Fahrer setzte das Gefährt zügig in Bewegung, und es wurde innerhalb von Sekunden von der Dunkelheit verschluckt.
    Erst das zurückhaltende Räuspern von Jakow riss Anki aus ihren düsteren Überlegungen um die überstürzte Abreise und den frostigen Umgang des frisch vermählten Paares. Sie stand noch immer vor dem mächtigen Portal, und da sie keinen Mantel trug, fror sie entsetzlich.
    »Danke, Jakow«, murmelte sie und drückte im Vorbeigehen leicht seinen Arm. Mit so ungestümen Schritten, dass der Faltenrock entrüstet um ihre Beine wirbelte, durchmaß sie das Foyer und eilte die Treppe in den ersten Stock hinauf.
    Der Butler löschte unterdessen einige der elektrischen Lichter in der Halle, und als sie oben auf der Galerie angelangt war, lag der Festsaal unter ihr in tröstlichem, weichem Licht.
    Wie schon zuvor trat sie an die Brüstung. Ohne die grelle elektrische Beleuchtung traten die goldenen Schmuckfarben und die Stuckornamente ebenso wie die edlen Möbel und wertvollen Gemälde dezent hervor. Erst jetzt, im Schein der Kerzen, zeigte der Raum seine erlesene Pracht. Vielleicht war sie besser beraten, wenn sie nicht überall zu genau hinsah, überlegte die junge Frau. Immerhin konnte sie nicht jedem Menschen helfen. Hatte sie mit den ihr anvertrauten drei Mädchen nicht genug Verantwortung übernommen? Dazu kamen ihre Freundschaft mit Ljudmila und die damit verbundene Sorge um deren Umgang mit diesem schrecklichen Rasputin.
    Tilla und Joseph mussten weit von ihr entfernt ihr eigenes Leben und somit auch ihr eigenes Glück gestalten. Sie hatte keine Möglichkeit, ihrer Schwester dabei zu helfen – ja vermutlich nicht einmal das Recht dazu.
    Trotz dieser Erkenntnis blieb der bohrende Schmerz in ihrem Herzen, denn sie wünschte ihrer Schwester, dass sie mit ihrem Mann glücklich wurde.

Kapitel 23
    Berlin, Deutsches Reich,
Mai 1908
    Unsanft stieß Demy Margarete an, da sie an der soeben erreichten Haltestelle aussteigen mussten. Treu wie ein Hündchen folgte ihr die Freundin; immerhin fuhr sie das erste Mal mit Berlins öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Oberleitung zischte zum Abschied leise, bevor die Straßenbahn davonrumpelte, und zwei etwas verloren dastehende, verstörte Mädchen zurückließ.
    Diesmal ergriff Demy Margaretes Hand und drückte sie kräftig, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. »Du sagtest, von der Haltestelle Kaisereiche aus findest du das Haus der Barnas?«
    Margarete nickte und sah zu den sanft im Wind winkenden Blättern der Eiche 25 hoch. »Hier entlang«, flüsterte die junge Frau mit erstickter Stimme und deutete in eine der von diesem Platz abzweigenden Straßen.
    Demy behielt Margaretes Hand fest in der ihren und zog sie förmlich hinter sich her. Auch sie verspürte schreckliche Angst um Lina, war allerdings nicht so

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