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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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Polizisten. »In diesen Tagen, Fräulein van Campen, schauen viel zu viele Menschen einfach weg. Sie kennen bestimmt die biblische Geschichte vom barmherzigen Samariter?«
    »Aber natürlich. Und wir hätten Lina selbstverständlich beigestanden, nicht wahr, Margarete?« Demy schaute ihre Freundin auffordernd an, die durch ein eher zaghaftes Nicken ihre Zustimmung bekundete.
    »Da Sie keine Augenzeugen des Vorfalls sind, nehme ich Ihre Personalien nicht auf. Sollte ich sie zu einem späteren Zeitpunkt dennoch benötigen, erhält Professor Barna Ihre Erlaubnis, sie an mich weiterzugeben?«
    Demy verzog das Gesicht, nickte aber. Wenn es dabei half, denjenigen zu fassen, der Lina überfallen und ihr wehgetan hatte, würde sie einen weiteren Zornesausbruch des Rittmeisters über sich ergehen lassen. Auch Margarete stimmte dem Vorschlag des Wachtmeisters zu. Sicher würde ihre Familie mit ähnlichem Unverständnis und Unwillen reagieren wie Meindorff, wenn sie erfuhren, wo ihrer Tochter den heutigen Nachmittag verbracht hatte.
    Schuldgefühle überkamen Demy, und sie ließ Kopf und Schultern hängen.
    »Ich möchte Sie abschließend in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass das Scheunenviertel keine Gegend ist, in der junge Damen sich aufhalten sollten. Ich hoffe, dieser bedauerliche Vorfall ist Ihnen eine Lehre!«
    »Ja, Herr Wachtmeister«, erwiderte Margarete sofort und aus tiefstem Herzen.
    »Fräulein van Campen?«
    »Ja, aber …«
    »Treffen Sie ihre Freundin an einem anderen Ort!«
    »Ja, Herr Wachtmeister.«
    Der Uniformierte verabschiedete sich knapp und schloss das Gartentor mit lautem Klappern hinter sich.
    Margarete stützte sich erschüttert auf dem Gartentörchen auf, doch Demy wollte endlich erfahren, was mit Lina geschehen war und wie es ihr ging. Dennoch ließ sie ihrer zartbesaiteten Freundin einen Augenblick des Durchatmens, ehe sie ihre Hand ergriff. Die Mädchen eilten auf die Terrasse und betraten von dort den Salon.
    Lauschend blieben sie inmitten des Wohnzimmers stehen. Im Haus herrschte absolute Stille. »Herr Barna?«, rief Margarete halblaut und trat in den quadratischen Flur. Inzwischen hatte ihr Gesicht wieder etwas mehr Farbe angenommen.
    Über ihnen knarrten die Dielen, und kurze Zeit später eilte der Professor die Stufen hinunter. »Sie beide habe ich ja ganz vergessen!«, stieß er hervor und schüttelte über sich selbst den Kopf.
    »Wie geht es Lina, Herr Professor?«
    »Sie wurde überfallen. Da sie sich zur Wehr setzte, schlug der Lump ihr mit einem Holzbrett auf den Kopf. Lina quälen Kopfschmerzen, aber ansonsten geht es ihr gut. Auch dank des Kutschers, der sie taumelnd in der Nähe der Alten Synagoge in der Heidereutergasse entdeckte, erkannte und mitnahm.«
    »Wie gut, dass Bruno dort unterwegs war«, seufzte Demy.
    »Wer sind Sie eigentlich?«
    »Eine Freundin von Lina. Demy van Campen. Lina und ich haben uns in Margarete Pfisters Literaturkreis kennengelernt.«
    »Ich erinnere mich. Lina erwähnte Sie das eine oder andere Mal.«
    »Dürfen wir zu ihr?«, drängte nun Margarete.
    »Natürlich. Fräulein Pfister, Sie kennen ja den Weg?«
    Die junge Frau bejahte und eilte Demy wenig würdevoll voraus die Stufen in den ersten Stock hinauf.
    Lina lag in ihrem hübschen, ganz in Weiß und Gelb eingerichteten Zimmer auf ihrem Bett und drückte sich einen mit Eis gefüllten Beutel an den Hinterkopf. Ein erfreutes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie die Freundinnen im Türrahmen erblickte. »Wie bin ich froh über eure Anwesenheit! Ich fürchtete schon, ihr beiden würdet auf der Suche nach mir das ganze Scheunenviertel durchforsten.«
    »Du weißt gar nicht, wie erleichtert wir sind, dich wohlbehalten wiederzusehen. Wir haben große Angst um dich ausgestanden!« Mit diesen Worten sank Margarete vor dem weißen Bettgestell in die Knie und legte ihren Kopf auf Linas Arm. Das Mädchen lächelte Demy an und strich der sichtbar aufgewühlten Margarete beruhigend über das Haar.
    »Mir geht es gut. Ich wünschte nur, mein Vater hätte nicht die Polizei verständigt.«
    Jetzt war es an Demy, die Freundin verwundert anzusehen. Aus welchem Grund wollte Lina den Überfall geheim halten? Es war doch ohnehin längst zu spät, um ihrem Vater verheimlichen zu wollen, wo sie heute gewesen war. Oder stellte sie ihre Frage falsch? Musste sie vielmehr lauten: Weshalb wäre es Lina lieber gewesen, nicht über den Angriff sprechen zu müssen?
    Die Verletzte biss sich auf die Unterlippe, bevor

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