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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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euren unterscheidet. Ihr hebt viel zu sehr eure Weiblichkeit hervor, die Zartheit und Sanftheit der Frau. Aber wir sind ebenso stark wie die Männer! Hart, durchsetzungskräftig, unnachgiebig, dominant und damit erfolgreich.«
    Zu Demys Erstaunen mischte sich Klaudia Groß in die Diskussion ein. Sie war die einzige Frau in der Runde mit einem Ehering am Finger und unübersehbar schwanger. Sie schüttelte über Lieselottes aufrührerische Ansichten den Kopf. »Aber als Frau bin ich doch das Gegenüber, die zweite, ergänzende Hälfte meines Ehepartners. Ich will gar keinen Wettstreit mit ihm ausführen.«
    »Unterbuttern, bevormunden und womöglich noch erniedrigen lasst ihr euch von den Ehemännern!«
    »Das Ehegesetz sieht mehr Rechte für den Mann als für die Frau vor, da stimme ich Ihnen zu, Fräulein Scheffler. Vielleicht müssen wir tatsächlich dahin kommen, dass im Moment der Eheschließung nicht mehr automatisch unser Eigentum an den Mann übergeht oder er die alleinige Erziehungsgewalt über die Kinder hat. Trotzdem ist es mein Wunsch, meinem Mann ein friedliches, erholsames Zuhause zu schaffen und meinem Kind alle Liebe und Zeit zu schenken, die ich habe. Schließlich ist es mein Fleisch und Blut und nicht das des Kaiserreichs. Ich – und natürlich spreche ich da auch für meinen Gatten – möchte mein Kind so erziehen, wie ich es für gut und richtig halte. Nicht von einer fremden Person, die vom Staat Geld dafür bekommt. Diese wird das Kind niemals so tief lieben können, wie ich es tue. Und ich möchte dem Kind meine Werte und meinen Glauben vermitteln. Wo kommen wir denn hin, wenn eine oder gar mehrere fremde Personen unser Kind mit ihren Wertvorstellungen beeinflussen, die womöglich gar nicht die meinen sind? Woher will ich wissen, was sie es lehren, auf welche Weise sie sein Leben prägen? Ich möchte mein Kind prägen!« Klaudia unterbrach sich und schaute erschrocken, beinahe verstört in die schweigsame Runde. »Entschuldigt bitte. Ich sollte mich nicht so in Rage reden.«
    »Wer denn sonst, meine Liebe?«, widersprach Margarete sofort. »Du bist ja diejenige von uns, die bald einen kleinen Schatz in den Armen hält. Außerdem bin ich geneigt, dir zuzustimmen: Diesen Schatz gilt es bei sich zu behalten und innerhalb des schützenden Rahmens einer Familie aufwachsen zu lassen, damit die Bindung eng und aus dem Kind ein stabiler, bindungsfähiger Mensch wird.«
    »Ihr seid blind für die Realität, ihr reichen Frauen in euren schönen, behüteten Heimen! Was ist mit den Frauen, die in Armut leben, zehn bis zwölf Stunden am Tag schuften und keine Zeit für ihre Kinder haben?« Lieselotte schrie jetzt beinahe und hatte offenbar auch nicht vor, ihren Tonfall zu mäßigen.
    Demy, die von einer zur anderen geblickt hatte, fühlte sich zunehmend unwohl. Sie hatte geahnt, dass die Runde mit Frauen unterschiedlicher Herkunft nicht immer harmonisch verlaufen würde, aber Lieselottes Bekanntschaft mit diesen radikalen Frauenrechtlerinnen veränderte sie zusehends. Sicher war nicht alles falsch, was sie propagierten, aber die unnachgiebige Haltung, die Härte in ihren Worten und die Kompromisslosigkeit erschreckten die junge Niederländerin zutiefst.
    Die werdende Mutter legte beide Hände wie schützend über ihren gewölbten Leib und erwiderte, wieder beherrscht: »Uns geht es gut, Fräulein Scheffler, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Vielleicht haben Sie in dem Punkt recht, dass die Familien, denen es unmöglich ist, ihre Kinder zu Hause ausreichend zu versorgen und zu fördern, dringend der Unterstützung bedürfen. Aber deshalb können Sie Ihre Forderung nach einer staatlichen Verwahranstalt für Kinder doch nicht rigoros auf alle Familien ausweiten. Manche Frauen, womöglich sogar Frauen mit kleinem Einkommen, vertreten vielleicht auch meine Ansichten und möchten ihre Söhne und Töchter selbst aufziehen und nicht schon in frühen Jahren in die Hände Fremder geben. Dies zu differenzieren sollte doch auch ihrer Frau Dohm möglich sein!«
    »Ihr wollt offenbar nichts anderes als eine unterworfene Menschenklasse sein!«, schimpfte Lieselotte, drehte sich um und verschwand beinahe wie ein Fabelwesen in der blendenden Helligkeit draußen.
    »Meine Güte, was für ein Auftritt und Abgang«, seufzte Klaudia, während Demy traurig den Kopf senkte.
    Ob sie Lieselotte als Freundin verloren hatte? Vielleicht hatte sie das bereits zu dem Zeitpunkt, als Lieselotte ihr das erste Mal voll Bewunderung von

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