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Himmel ueber fremdem Land

Himmel ueber fremdem Land

Titel: Himmel ueber fremdem Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Buechle
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balancierend suchte er mit den Augen nach der zarten Gestalt Udakos. Ob sie bei den anderen am Feuer saß? Freudige Aufregung bemächtigte sich seiner, sein Herz klopfte laut. Längst schon hatte er beschlossen, sich von Bernhard erklären zu lassen, was genau Udako am christlichen Glauben als so wichtig erachtete. Für sie war er sogar bereit, den Graben zu überwinden, der sich bisher zwischen Gott und ihm auftat.
    Ob sie ihm heute erlauben würde, sie zu umarmen, sein Gesicht in ihrem herrlich süß duftenden schwarzen Haar zu vergraben und ihn dadurch für ein paar Minuten alles vergessen lassen?
    Ein Knall zerriss die friedliche Kulisse. Philippe, bis eben noch den aufregenden Gedanken an Udako erlegen, schrak zusammen. Beim linken Feuer kippte eine kleine Gestalt zur Seite. Kinder sprangen auf, schrien, rannten durcheinander. In den Felsen hinter sich nahm Philippe Unruhe wahr. Beschimpfungen. Flüche.
    Beim Aufblitzen des zweiten Mündungsfeuers warf Philippe sich vom Pferd und schlug hart auf dem Boden auf. Sandstaub hüllte ihn ein, während sein Pferd getroffen zur Seite taumelte. Weitere Schüsse peitschten über ihn hinweg, wirbelten neben ihm die rote Erde auf.
    Er rollte sich hinter einen Affenbrotbaum und suchte mit den Augen nach dem Versteck der Angreifer, aber ihre Waffen schwiegen nun. Entschlossen sprang er auf und rannte hinüber zum Haus, vor dem ein heilloses Durcheinander herrschte.
    »Die Feuer löschen!«, brüllte er und warf seine Uniformjacke auf die Flammen, bevor er mit beiden Händen Sand und Geröll daraufschaufelte. Bernhard tat es ihm gleich und so fielen auch die Feuerzungen des anderen Lagerfeuers in sich zusammen, züngelten noch einmal in die Höhe, als kämpften sie verzweifelt um ihr Leben und erloschen dann.
    »Die Kinder ins Haus, sofort!«
    Philippe hörte Erwachsenenstimmen, die die Kinder antrieben, Weinen, Schreien und verängstigte Hilferufe auf Nama und Herero. Eine reglos auf dem Boden kauernde Gestalt zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er sprang über das nur noch zaghaft glimmende Feuer und packte die Frau unter den Armen. Sie hob den Kopf. Udako!
    Tränen liefen über ihr Gesicht und glänzten im fahlen Sternenlicht wie Diamanten auf. In ihren Armen hielt sie den leblosen Körper eines kleinen Jungen. »Er ist tot«, hauchte sie.
    »Geh ins Haus, sofort!«
    »Wer schießt da?«
    »Ich weiß es nicht. Geh sofort rein.«
    »Nicht ohne Benjamin«
    »Ich bringe ihn. Lauf jetzt!« Philippe sah sich gehetzt um. Wie schnell luden die Schützen nach? Befanden sie sich noch an derselben Stelle oder verteilten sie sich um das Gelände?
    Nicht eben sanft nahm er den schlaffen Körper des etwa Fünfjährigen auf die Arme und folgte Udako zur Tür des Waisenheims. In dem Augenblick, als die Nama die Tür erreichte, eröffneten die Angreifer erneut das Feuer. Ein heißer Schmerz jagte durch Philippes linken Oberarm. Er stieß Udako derb vorwärts, die daraufhin in das sichere Innere der Holzbarracke taumelte. Geistesgegenwärtig verrammelte der Missionar hinter ihnen die Tür.
    Philippe legte den toten Jungen zurück in Udakos Arme und riss seine Pistole aus dem Holster. »Wie viele Waffen besitzen Sie, Walther?«
    »Waffen, Herr Leutnant? Wir sind eine Missionsstation mit einem Waisenheim. Hier finden Sie nicht eine Schusswaffe. Das Einzige, was ich Ihnen anbieten kann, sind Küchenmesser.«
    »Dann holen Sie die. Verteilen Sie sie an die Erwachsenen und die älteren Kinder.«
    »Wer beschießt uns? Aus welchem Grund?«, stieß Bernhard Walther, ein Mann in den Fünfzigern mit sanftem Gemüt und einem feinen Humor, fassungslos aus und blickte Philippe entsetzt an.
    »Es sind vereinzelt Aufständische unterwegs.«
    »Aber wissen sie nicht, dass hier ihre eigenen Kinder untergebracht sind?«
    »Vielleicht gefällt es ihnen nicht, wenn ihren Nachkommen die Weltanschauung ihrer Unterdrücker beigebracht wird?«, mutmaßte Philippe.
    Eine Glasscheibe zersprang klirrend, und das ängstliche Murmeln der Kinder wurde erneut zu Schreckensschreien. Prüfend sah Philippe sich in dem dunklen Gebäude um. Lange Tische und Bänke standen in mehreren Reihen nebeneinander, in den beiden angrenzenden Zimmern erahnte er Betten.
    »Walther, die Kinder sollen sich von den Fenstern fernhalten. Immer geduckt gehen. Baut aus den Tischen und Bänken einen Unterschlupf und polstert ihn mit allem ab, was ihr findet. Matratzen, Decken, Kleidungsstücke …«
    »Was haben Sie vor?«
    »Ich werde sehen, ob

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