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Himmel über Tasmanien

Himmel über Tasmanien

Titel: Himmel über Tasmanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McKinley
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folgte dem Pfad zum halbrunden Gartenhaus, das sie zu einem Atelier für sich umgewandelt hatte. Es schmiegte sich an die hohe Grenzmauer aus Backsteinen, seine hohen Fenster schauten über den Rasen und schufen selbst an kältesten Tagen einen sonnigen Platz. Lulu hatte sich an jenem Tag darin verliebt, als Clarice sie zum ersten Mal nach Sussex gebracht hatte. Damals war sie zehn gewesen und noch immer bemüht, mit den plötzlichen Veränderungen in ihrem Leben zurechtzukommen, und das Gartenhaus war zu ihrem Refugium geworden.
    Großtante Clarice hatte Verständnis für ihr Bedürfnis nach Abgeschiedenheit, wenn sie Skizzen entwarf, malte oder Tonfiguren modellierte, und jene ersten Jahre hätte so mancher gewiss als eine einsame Zeit bezeichnet. Dennoch war Lulu in ihr langsam und allmählich erwacht und hatte erkannt, dass sie nun zu träumen wagen konnte und unter Clarice’ liebevollen, wachsamen Augen frei war, aufzublühen. Das war das größte Geschenk, das jemand gewähren konnte, und deshalb verehrte sie Clarice.
    Sie ging hinein, zündete die Gaslampen an, steckte das Kinn vor der Kälte in ihren Mantelkragen und begann, die feuchten Tücher abzuschälen, die den Ton geschmeidig hielten, denn sie wollte die einen Meter hohe Skulptur in Augenschein nehmen. Sie musste über die Ironie lächeln, da ihr neuestes Kunstwerk ein Fohlen war. Das langbeinige, nicht zugerittene Geschöpf mit gestutztem Schwanz und kurzer Mähne schien die Armierungen, die es auf der hölzernen Drehscheibe festhielten, abwerfen zu wollen. Sie betrachtete die Linien und Kurven, die Andeutung von Muskeln und Kraft, die sie hatte einfangen können, und den Eindruck von verhaltener Energie und Bewegung, der sie so viel Mühe gekostet hatte. Es war ein gutes Kunstwerk, vielleicht das beste, das sie je geschaffen hatte.
    Sie sah sich das Fohlen an, in Gedanken wieder bei dem merkwürdigen Brief. Womöglich war er ein Omen – ein Zeichen, dass er irgendwie mit dem Hengstfohlen in Tasmanien verbunden war. Die Vorstellung war natürlich lächerlich, und Clarice würde darüber spotten – trotzdem wurde ihr klar, wie verheißungsvoll dieser Augenblick war. Das Kunstwerk brauchte noch einen Namen, und da Joe Reilly seinen Brief an die falsche Adresse geschickt hatte, wusste sie jetzt, wie es heißen sollte.
    Ihre Phantasie wurde beflügelt, während sie hastig nach einem Tonklumpen griff, um ihn weich zu kneten und zu formen. Vielleicht war es schwer, aber es war eine Chance, ihr Können auszuweiten und Spaß an der Herausforderung zu haben. Das echte Fohlen Ocean Child würde auf den Rennbahnen Tasmaniens laufen, alt werden und seine Tage auf Weiden beenden, doch ihr Ocean Child würde ewig jung bleiben und in den seichten Wellen einer bronzefarbenen Küste tänzeln.
Rennstall Galway House, Tasmanien, April 1920
    Joe Reilly war mit dem Ausmisten fertig, der Hof war gefegt und abgespritzt, und Bob Fuller, der Jackaroo, wie die Zureiter genannt wurden, war gerade fort, um Ocean Child auf der Galoppbahn zu trainieren. Es war noch früh, doch die Eisvögel lachten bereits auf den Bäumen in der Nähe, und er vernahm den beklemmenden Ton eines Glockenvogels.
    Er steckte die Hände tief in die Hosentaschen und betrachtete stolz den Hof. Als Joe damals aus Europa zurückgekehrt war, hatte es hier noch ganz anders ausgesehen, und obwohl er viel Zeit, Energie und die meisten seiner Ersparnisse darauf hatte verwenden müssen, hatte es sich gelohnt.
    Die Stallungen waren zerfallen und von Ratten verseucht gewesen, doch jetzt waren sie stabil und erhoben sich zu beiden Seiten des gepflasterten Hofs, ihre neu gedeckten Dächer und die frische Farbe leuchteten in der Herbstsonne. Die Reparaturen an der Scheune, an der Sattelkammer und am Futterlager waren beinahe fertig, die Zäune ersetzt und die Weiden von schädlichem Unkraut befreit.
    Galway House hatte früher einmal mehr als dreißig Pferde beherbergt, Stallburschen und Zureiter hatten sich um siegekümmert. Doch das war in der guten alten Zeit gewesen – bevor ihnen Krieg und Pferdegrippe dazwischengekommen waren. Er war jedoch optimistisch, denn in letzter Zeit hatte der Hof bereits fünf Neuzugänge zu verzeichnen, zwei weitere Nachfragen standen an, und er hatte zwei Gehilfen einstellen müssen. Die Börsen waren noch nervös, doch die Welt schüttelte allmählich die Finsternis der vergangenen Jahre ab, und mit Beginn des neuen Jahrzehnts lag eine gewisse Erregung in der Luft,

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