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Himmelreich

Himmelreich

Titel: Himmelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
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und Nachfrage nach der idealen Führungskraft decken sich in meiner Person. Ich rede langsam, überlegt, wie gesagt, Emotionen haben in einem Aufsichtsrat nichts zu suchen. Auch sonst nicht. Meine Antworten sind prägnant. Wer weitergehende Fragen hat, soll sie stellen. Bitte. Dabei selbst erstaunt, wie gelassen ich referieren kann. Keine aufgesetzte Gelassenheit, keine Selbstüberschätzung, sondern ein Gefühl von Kompetenz. Ich beherrsche mein Handwerk. Meine Glaubenssätze: a) Probleme sind da, um angepackt zu werden. b) Das Universum offeriert mehr Lösungen als Probleme. c) Wenn Probleme nicht gelöst werden, dann liegt es am Willen der Beteiligten. Und so weiter. Mein Einkommen beträgt über eine halbe Million Franken, mit dem Bonus kann es gut das Dreifache werden. Davon geht ein Drittel an Steuern weg, bleibt noch eine Million. Als junger Mann habe ich mich oft gefragt, wie man eine Million verbraucht. Das frage ich mich noch heute. Mein Kontostand bläht sich einfach weiter auf; ab und zu hebe ich ein paar hunderttausend ab und lege sie an; aber ausgeben? Ich wüßte nicht, wie. Wie kauft man eine Mittelmeerjacht? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Vermutlich würde man einfach hingehen und sagen: Herr Verkäufer, ich möchte eine Jacht kaufen, und der Verkäufer würde fragen: Aber was für eine? Was soll die können? Welche Reichweite, Motorenleistung, Wasserverdrängung und so weiter? Woher soll ich das wissen! Ein Haus, ein schönes Patrizierhaus ein bißchen außerhalb von Zürich mit einer Handvoll hundertjähriger Eichen darum herum, das haben wir uns geleistet. Das Anwesen hat drei Millionen gekostet, der Umbau nochmals fast eine Million. Ich will es gemütlich haben, familiär, große, helle Zimmer, eine Bibliothek, aber nicht kalt, sondern warm, familiär, wie gesagt. Es war nicht die Größe des Hauses, sondern die Aussicht über den Zürichsee, was den Ausschlag gegeben hat. Das prunkvolle Eingangstor haben wir durch ein einfacheres ersetzt. Jetzt fällt das Haus von der Straße her gesehen auch nicht mehr so auf. Ich fahre einen BMW der größeren Klasse, also keine Prunkkarosse - keinen Bentley, keinen Jaguar -, immerhin ein bequemer, sicherer Wagen. Aber auch das Auto läuft über die Firma. Damit vernichte ich kein Vermögen. Außerdem ziehe ich die S-Bahn vor - ins Geschäft. Kurzum, ich habe es aufgegeben, darüber nachzudenken, was ich mit meinem Geld alles kaufen könnte. Geld ist kein Thema. Und Anna arbeitet ja auch noch, als Rechtsanwältin.
    Time to Destination: 7 Hours 14 Minutes.
    Distance from Destination: 6088 km.
    Außentemperatur: minus 34 Grad Celsius.
    Der Bildschirm rapportiert unermüdlich. Einmal kommt der Tag, wo man als Passagier mehr weiß als der Pilot.
    Vier Monate ist es nun her, seit ich meine Frau betrogen habe. Zum ersten Mal betrogen habe. Zürich, Bellevue. Vor aller Welt. Schon den ganzen Abend lang hätte ich ihr um den Hals fallen können. Darüber auch gesprochen. Ich sagte (wortwörtlich): Ich möchte dir am liebsten um den Hals fallen. Ich möchte dich küssen. Ich möchte mit dir schlafen. Das war in der Seehof-Bar. Es braucht Mut, dies auszusprechen, und ich fühlte mich stark bei diesem zelebrierten Mut. Ich fügte noch im gleichen Atemzug hinzu: Aber natürlich kann ich es nicht, ich darf es mir nicht einmal denken. Verheiratet, also ohne Anlaß zu einer Geschichte. Bis dahin hatten wir nur ein bißchen mit den Händen gespielt. Und ich hatte sie einmal auf die Stirn getippt, das war im Vorderen Sternen, einen Monat zuvor. Selbstverständlich kann sie sich nicht daran erinnern, so lächerlich zaghaft war diese Berührung. Dabei wollte ich ihr bloß zeigen, daß die Seele nicht in der Herzgegend liegt, wie sie felsenfest behauptet hatte, sondern im Hirn. Die Seele als kognitiver Prozeß, wie übrigens fast alles. Gefühle als Hirnleistung. Gefühle als unsauberes Denken. Gefühle als Biomechanik. Natürlich durfte sie mir damals nicht glauben. Hier ist die Seele zu finden, hier, sagte ich immer wieder und langte mit meinem Zeigefinger an ihre Stirn, weil es nicht ging, daß ich sie auf die Stirn küßte.
    Als wir die Seehof-Bar verließen, stand der Himmel orangeschwarz über uns. Kein einziger Stern vor lauter Streulicht. Wie sich verabschieden?
    Meine S-Bahn in 20 Minuten. Auf einmal wollte sie mich zum Bahnhof begleiten. Die letzte S-Bahn nach Rüschlikon, Lumpensammler, sagte ich und erklärte ihr, was das heißt: Lumpensammler. Welches Tram

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