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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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Fangstellung weit über der Beute gespreizt, las Lea in ihrem Tierlexikon.
    Sie kramte in ihrer Tasche nach einem Stift und schrieb unter die Waldohreule: Horst.
    Das monotone Geräusch des Motors und die leisen Gespräche der Erwachsenen, deren Inhalt sie nicht verstand, wirkten einschläfernd, und irgendwann trug ein Traum das Mädchen fort. Als sich Isabel umdrehte, sah sie, wie Leas Nase leicht zuckte.
    Schönes Kind, schön und geheimnisvoll.
    Das schwarze Haar lag über ihren Augen wie ein Schleier. Sie hatte das Gesicht ihres Vaters geerbt, die dunklen Augen, die markanten Züge, trotz aller Kindlichkeit, der weiche, geschwungene Mund, der, wenn er geschlossen war, etwas Bestimmtes, Trotziges hatte. Isabel fuhr ihr über das Haar. Leas Augen zuckten bei der Berührung, und ihre Lippen bewegten sich.
    »Sie spricht wieder im Schlaf. Horst, ich glaube, es ist gut, dass wir wegfahren. In letzter Zeit ist alles schlimmer geworden. Ihre Lehrer sagten mir, sie würde sich in der Schule immer mehr zurückziehen, auch von ihren Mitschülern.« Isabel hielt einen Moment inne und fügte dann leise hinzu: »Die meisten Sorgen mache ich mir wegen ihrer Träume. Sie müssen wirklich schrecklich sein.«
    »Hör doch endlich auf, dir dein hübsches Köpfchen zu zerbrechen, sonst bekommst du am Ende noch diese hässlichen Sorgenfalten zwischen den Augen. Das wäre schade, wirklich, meine Süße.«
    Horst legte seine Hand auf ihr Knie. »Dem Kind fehlt es an nichts anderem als an der Wirklichkeit. Verstehst du? Deine Tochter entzieht sich dem wahren Leben, und wenn du sie weiterhin in Watte packst, wird sie auch in ihrer merkwürdigen Welt bleiben mit all ihren Fantastereien und Träumereien.« Er lachte spöttisch. »Keine schlechte Welt eigentlich, im Gegenteil, eine durchaus angenehme, denn auf diese Weise kann sich das Fräulein allerhand herausnehmen. Diesen Urlaub zum Beispiel. Diesen Urlaub am Ende der Welt. Wem bitte haben wir den zu verdanken? Na?«
    Er sah Isabel herausfordernd an. »Rücksichtnahme, Verständnis und Aufmerksamkeit fordert sie im Überfluss«, setzte er dann seine Ausführungen fort. »Von uns allen, von den Lehrern, dir und somit auch von mir. Lea hin, Lea her.«
    »Horst, bitte hör auf«, bat Isabel.
    »Oh, nein, meine Liebe, das musst du dir schon anhören, so oft und so lange, bis du es verstanden hast, schließlich bin ich ja auch noch da, in deinem Leben. Oder etwa nicht?«
    Isabel biss sich auf die Lippen und schluckte das, was es zu sagen gäbe, hinunter.
    Während Horst sich nun in einem seiner quälend langen Monologe erging, klebten seine Finger wie Saugnäpfe an ihrer Haut, Isabel spürte Feuchtigkeit und Widerwillen. Doch irgendwann flogen seine Worte an ihr vorbei wie die Landschaft. Flüchtig, kaum wahrgenommen, vergessen, bevor sie verletzen konnten. Eine dicke Fliege, die gegen die Windschutzscheibe klatschte, gelbliches Sekret, ein Flügel und Reste des zarten Rumpfes beendeten Horsts Beschwerden über Leas sonderbare Befindlichkeit. »Die ersten unangenehmen Vorboten des Landlebens«, zischte er durch die Zähne. Die Wischblätter hinterließen eine helle schleimige Spur, über die sich Horst bis zur nächsten Tankstelle ärgern sollte. Was für ein wirkungsvoller Tod eines so kleinen Geschöpfs, überlegte Isabel. Eine Fliege lässt in dem sonst so kontrollierten Horst das Wutherz rasen. Nach einer kurzen Rast bei Frankfurt, bei der die Windschutzscheibe akribisch gesäubert worden war, der Ölstand kontrolliert – »lieber zu oft als zu selten«, hatte Horst konstatiert – der Tank aufgefüllt worden war, ließ Horst den Motor kurz aufheulen. Dann atmete er tief und erleichtert durch.
    »Tja«, sagte er, »nun herrscht endlich Klarsicht!« Seine Hand wanderte wieder auf Isabels Knie, und er setzte seinen Sermon fort: »Du kennst ja meine Meinung zu Leas Hirngespinsten.«
    Isabel schloss die Augen. Sie ärgerte sich über sich selbst, sie hätte Leas Verhalten erst gar nicht zum Thema werden lassen sollen. Horsts Meinung zu Leas bizarrem Benehmen war ihr keine Hilfe, sondern verstärkte ihre Ohnmacht. »Mehr Strenge«, pflegte er nämlich zu sagen, »meine Eltern hätten das nicht geduldet. Für Träumereien ist das Fräulein mit seinen acht Jahren zu alt. Mal einen ordentlichen Klaps, wenn Gnädigste so tun, als würde sie nicht zu unserer Welt gehören. Mal einen ordentlichen Klaps, wenn sie die Nachtruhe stört.« Und jedes Mal, wenn er das Wort Klaps aussprach, ließ er das

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