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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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stumme Sprache, die aus dem Herzen kam.
    Bis auf 20 Stück verkaufte Robert all seine Schafe, damit er bei seiner Frau bleiben konnte, anstatt die Hälfte des Jahres über die Bergkämme ziehen zu müssen. Bevor der erste Schnee kam, trieb er die kleine Herde von den Almwiesen hinunter zum Weiler, wo sie die Angerwiesen der Höfe abgrasten. Halm für Halm, besser als jede Sense. Wenn die Wiesen einem Teppich glichen, kamen die Schafe in den Stall und wurden geschoren.
    Cilli spann die feinste Wolle des Tals. Aus dem Garn strickte sie Kniestrümpfe und Handschuhe, Pullover, einfach alles, was man für die Wärme brauchte. Außerdem war sie eine Meisterin des Klöppelns, ihre Spitzen aus weißem Zwirn fand man ebenso wie ihre Strickwaren überall auf den Märkten, sogar im fernen Meran und Bozen.
    Nach zwei Jahren endlich begann sich Cillis Bauch zu wölben.
    »Einen strammen Jungen könnten wir gut brauchen auf dem Hof«, freute sich ihr Mann. Cillis Hand beschrieb ein Fragezeichen in der Luft.
    »Woher ich wissen will, dass es ein Bub wird?« Robert berührte ihren Bauch.
    »Cilli, ich spüre ihn, da drin ist mein Sohn.« Jeden Abend legte er seinen Kopf auf ihren Leib und lauschte dem ungeborenen Leben. Als es nach ein paar Monaten im Bauch zu strampeln und stoßen begann, sprach er zu seinem Kind die liebevollsten und zärtlichsten Worte, deren er mächtig war. »Wer weiß, vielleicht hört er mich schon«, sagte er zu seiner Frau, wenn sie ihn lächelnd ansah. Als ihr Bauch einen ordentlichen Umfang erreicht hatte, wurden für Robert die Tage und Nächte des Wartens schwerer.
    »Unser Sohn, heute kimmt er, Cilli, sicher, heute kimmt er«, sagte er jeden Morgen aufs Neue. Er sorgte dafür, dass allzeit warmes Wasser auf dem Herd stand und saubere Tücher im Schrank geschichtet waren.
    Doch es kam anders.
    Cillis Bauch wuchs ins Endlose. Bald hatte er einen Umfang erreicht, wie ihn noch keiner im Weiler bei einer Schwangeren je erlebt hatte.
    »Jesus Maria, Robert, wann kommt das Kind denn, ist doch an der Zeit?«, fragten sie den werdenden Vater. »Mein Sohn wird halt ein kräftiger«, hatte dieser anfangs noch erwidert. Doch bald wurde auch ihm angst und bange, denn Cilli war kaum mehr in der Lage, sich zu bewegen, ihre Atmung wurde schwer, und die wassergeschwollenen Beine schmerzten. So legte er eines Morgens seiner Frau den Mantel um und deutete ihr:
    »Wir müssen ins Tal, zum Doktor.«
    Als sie am Haus des Oswin Kneisl vorbeikamen, trat der Alte aus der Tür. »Robert, brauchst meine Hilfe? Ich könnt helfen zu stützen, heute geht’s den Gliedern gut.«
    Doch der winkte ab. »Gott schütze euch«, gab Oswin dem jungen Paar mit auf den Weg.
    An diesem Tag, dessen war sich der alte Kneisl gewiss, sah der Himmel über Fuchsbichl besonders aus. Kurz nachdem Cilli und Robert den Weiler verlassen hatten, erreichte die Sonne Oswins Haus. Der Alte saß auf der Bank, es roch nach einem herrlichen Altweibertag. Oswin genehmigte sich eine Prise Tabak, legte sich, ein weiches Kissen schützend unter dem Buckel, der Länge nach hin und blickte gen Himmel. Wie tiefblau der war, klarer als sonst im Herbst und wolkenlos.
    Ein Habicht zog seine Kreise. Ruhig und gleichmäßig flog er höher und höher, bis Oswins Augen ihm nicht mehr folgen konnten. »Einmal da droben sein, einmal sehn, wie die Welt von dort aussieht«, dachte er. »Doch bald werd ich’s ja sehen, wenn der Herrgott mich holen lasst. Doch wann nur ist’s so weit? Ach Gott, du holst und schickst die Menschen, so wie du willst.« Er faltete die Hände und murmelte: »Herr, wie wär’s, hol doch mich und schick das Kind von Cilli und Robert.«
    Er suchte den Himmel nach dem Vogel ab, doch der blieb verschwunden.
    Oswins Augen wurden müde, er schloss sie und wartete auf den Schlaf, der ihn forttrug, dorthin, wohin der Vogel geflogen war, nur noch höher. Von dort aus sah er den Pfad, wie er sich durch den Lärchenwald und die Teufelsschlucht entlang ins Tal schlängelte. Er sah ihn so deutlich, als wandle er selbst auf ihm. Er hörte das Rauschen des Teufelbachs. Er sah auch die Taubstumme und ihren Mann. Das Paar rastete mehr als es ging, kurz hinter der Teufelsschlucht knickten Cillis Beine unter dem schweren Gewicht ein, das sie zu tragen hatten. Der Schäfer stützte seine Frau den Rest des Weges, so gut er konnte. Oswin hörte dessen keuchendes Atmen und ihr Stöhnen, sie hatte Tränen in den Augen, vor Schmerzen und Anstrengung. Wankend erreichten sie

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