Himmelssturz
Möglichkeiten sind besser, als hier draußen zu verrotten.«
»Tu es nicht«, sagte Bella, aber ihre Stimme erstarb irgendwo in der Kehle und erreichte niemanden. Man hörte ihr nicht mehr zu – auch nicht mehr dem übrigen Führungspersonal. In der Versammlung war eine erhitzte Debatte ausgebrochen, ein Krawall, der jeden Augenblick in Gewalttätigkeiten umzukippen drohte. »Ich habe das Schiff verloren«, sagte sie, eigentlich nur zu sich selbst, doch Jim Chisholm flüsterte zurück: »Sie werden zu dir zurückkommen. Sie kommen immer zurück. Tief drinnen wissen sie, dass du recht hast.«
Eine Stimme übertönte die Menge und ließ vorübergehend alle verstummen. Es war Saul Regis, der im Adrenalinrausch zitterte. »Gut«, sagte er. »Wenn die Mehrheit dafür ist, soll es so sein. Aber wir wollen sehen, wo wir stehen. Ziehen wir eine Linie in den Sand. Alle, die für Bella sind, sammeln sich um mich. Alle, die Craigs Meinung sind, sammeln sich um ihn.«
Bella beobachtete, wie sich ihre Besatzung in zwei Gruppen spaltete. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass es tatsächlich so weit gekommen war. Zuerst sah es aus, als würde Schrope eine klare Mehrheit zusammenbekommen. Doch Bella hatte mehr Anhänger, als ihr bewusst war. Saul Regis, der sie unterstützte, sammelte fast sein komplettes Robotikteam um sich. Nur Marcia Batista lief zu Schropes Seite über. Die Hälfte der Wissenschaftler ging zu Bella, außerdem über die Hälfte der Mediziner sowie ein paar Leute aus Svetlanas Flugkontrollgruppe – hauptsächlich die jüngeren und unerfahrenen Mitglieder wie Meredith Bagley und Mengcheng Yang. Bella zählte die Köpfe: Mit Saul Regis und ihr selbst waren etwa vierzig Personen auf ihrer Seite. Um Craig Schrope hatten sich deutlich weniger als vierzig versammelt. Der Rest der Besatzung bildete eine amorphe, drängelnde Gruppe zwischen den zwei rivalisierenden Anführern. Die meisten von Parrys Bergleuten – wie auch Parry selbst – hatten sich noch nicht entschieden. Auch Svetlana hatte noch keine Partei ergriffen.
Für Svetlana war es zweifellos eine schwierige Entscheidung, dachte Bella. Auch wenn sie mit Craig Schrope einer Meinung war, musste ihr die bloße Vorstellung, sich mit ihm zu verbünden, mächtig gegen den Strich gehen.
Sie sahen sich in die Augen. Bella bemerkte, wie Svetlana mit den Lippen lautlose Worte formte – vielleicht eine Trotzreaktion, vielleicht aber auch eine Entschuldigung.
Als würde ihre Freundschaft immer noch zählen.
Sie schloss sich Craig Schropes Partei an. Kurz darauf sah Bella, wie Parry Boyce ihr folgte. Sie konnte es ihm nicht verübeln.
Mit Parry entschieden sich auch die meisten aus seinem Außeneinsatzteam. Gregor Mair war der einzige Bergmann, der zu Bella hielt.
Damit war die Sache klar. Es gab keine Nachzügler, keine Enthaltungen, und es wäre überflüssig gewesen, die Stimmen auszuzählen. Svetlanas Entscheidung hatte den Ausschlag gegeben. Craig Schrope hatte nun über die Hälfte der Besatzung hinter sich. Seine aufgebrachten Anhänger waren sichtlich mehr als Bellas bunt zusammengewürfelte Truppe. Der Unterschied betrug weniger als zwanzig Personen, aber durch das Außeneinsatzteam erhielt Schropes Gruppe den Zusammenhalt einer Armee. Mit ihren technischen Kenntnissen waren sie Bellas Wissenschaftlern, Robotikern und Medizinern in praktischer Hinsicht eindeutig überlegen.
Erstaunlicherweise wurde die geteilte Menge nun völlig ruhig. Schropes Leuten war klar, dass sie effektiv die Kontrolle über das Schiff hatten. Bellas Gruppe wusste, dass sie nichts dagegen tun konnte. Es war eine unblutige Meuterei. Bellas Besatzung hatte sogar in der Entzweiung keine Schande über sich gebracht. Bella gönnte sich einen winzigen, schnell erlöschenden Funken des Stolzes. Sie hatten sich wie Erwachsene benommen, sogar als sie sich gegen sie gewandt hatten.
»Ich habe das Schiff«, sagte Schrope. Seine Worte klangen eher erleichtert als triumphierend. »Wir werden es machen, wie ich angekündigt habe. Rückflug mit zwei Ge. Sofort, sobald wir bereit sind. Wir werden die Massentreiber abwerfen.« Er sah zu Svetlana. »Kannst du alles organisieren, damit deine Leute so schnell wie möglich mit der Arbeit beginnen?«
Svetlana holte tief Luft, überschritt einen mentalen Rubikon und nickte. »Das ist machbar.«
Bella hob die Hände. Sie hatte sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit aller. »Also gut. Ihr habt getan, was ihr für richtig haltet. Das kann ich
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