Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
Vom Netzwerk:
hat.«
    »Ich glaube jetzt schon wieder daran,« sagte Hassan rasch, »was du sagst, ist schön, und weshalb sollte das Schöne nicht eher wahr sein als das Arge?«
    Der Elf sah Hassan liebevoll an:
    »Ich wünsche dir, daß dir alles gut ausgeht, was du heute beginnst«, sagte er herzlich. »Ich fliege nun zu den Menschen, leb wohl.«
    »Du fliegst in der Tat zu den Menschen, Elf? Da sähe ich mich doch lieber vor.«
    »Es zieht mich zu ihnen,« antwortete der Elf und breitete seine Flügel aus, »ich kann nicht anders, aber ich werde am Abend wieder auf die Wiese kommen.« Damit flog er davon. Hassan sah ihm nach, bis er wie ein winziger Lichtschein zwischen den Baumstämmen verschwand. Er ist doch ein Engel, ein kleinerer, dachte er und versuchte zu begreifen, was ihm geschehen war und was er gehört hatte.

Siebentes Kapitel
Hassans Kampf mit Ala

    Am folgenden Tag sang dicht über dem fließenden Wasser des Bachs das Rotkehlchen in einem Lindenzweig. Es saß in einem wundervollen Blätterraum, so licht geborgen, wie Leute es kaum ahnen, die nicht schon einmal in einem Baum gesessen haben. Alle Blätter, aus welche das Rotkehlchen niederschauen konnte, waren vom schönsten saftigen Grün, hatten kleine goldene Sonnenteller und zeichneten sich prächtig gegen das blaue Wasser ab. Viel schöner aber waren die Blätter anzuschauen, die über dem Kopf des kleinen Vogels wuchsen, denn die Sonne durchleuchtete sie, so daß sie wie von hellem grünen Glas erschienen, mit einem seligen Glanz aus Gold.
    Man kann sich auch für den Widerhall des Gesangs nichts Besseres denken, als so ein offenes Blätterhaus, das Licht, Blumenduft und den warmen Odem des Frühlingswindes einläßt, gedeckt ist und doch offen, allem Hellen zugängig und doch versteckt, und gerade das, worüber so viele Sänger klagen, war für das Rotkehlchen so prächtig erfüllt, daß sich verstehen läßt, daß es fast den ganzen Morgen hindurch sang.
    Lieblich und klar, wie fallendes Wasser auf bunten Steinen, hallte es durch den strahlenden Wald. Es schien, als leuchtete die Sonne heller als zuvor, feierlich standen die großen Bäume auf ihrem dunklen Erdengrund, und die Blumen neigten sich, in ihrem Glück so würdevoll, in ihrer Schönheit so reich, daß die Welt vollkommen erschien. Und unermüdlich sang der kleine Vogel:
    Die Weite des Bachs liegt blau in grün,
mein Herz möchte weiter, ach weiter!
Aber es weiß mein Herz nicht wohin,
immer bleibt alles fern blau in grün,
wo ich verweil’, ist es heiter.

    Aber ich möchte der Traurigkeit,
tief, meines Herzens folgen.
Schön ist das Nah’, aber herrlich das Weit’;
sagt mir, ihr Wellen, wann kommt die Zeit
über den himmlischen Wolken?
    Hassan, der Igel, saß unten im Farnkraut und hörte zu; er konnte sich nicht entschließen, einen Ort zu verlassen, an dem ein Blumenelf weilte. Dies war erstens etwas ungemein Seltenes, dann kam aber auch noch hinzu, daß es hier ohnehin sehr schön war. Wenn man schließlich durch seinen Appetit störte und dadurch unliebsames Aufsehen erregte, daß man zu viele der Wiesenbewohner herunterschlang, so konnte man seine Nahrung auch anderswo suchen, der Wald war groß und Hassan gut zu Fuß. Ich könnte wahrhaftig diesem Elfen zulieb Pflanzenkost genießen, dachte er, und den Versuch machen, mich von Gras zu ernähren, aber ich weiß im voraus, daß ich es nicht aushalte. Nun, es wird sich schon finden, ich jage anderswo und lebe hier.
    Über ihm in den Zweigen raschelte es, und als Hassan durch die grünen Fächer des Farnkrautes sah, erblickte er ein Eichhörnchen, das sich von Ast zu Ast bis auf den Boden, dicht bei seinem Versteck, niederschwang. Hassan entschloß sich, hier um Rat zu fragen, obgleich er im allgemeinen nicht viel für diese Tiere übrig hatte, sie waren ihm zu beweglich. Er trat hervor, und das Eichhörnchen machte einen Satz, so lang, wie der Bach breit war.
    »Himmel und Wolkenbruch, Sie dicker Popanz, wie können Sie einen so erschrecken!« rief das Eichhörnchen atemlos. »Kommen Sie her und fühlen Sie, wie mein Herz klopft, oder bleiben Sie lieber, wo Sie sind, Sie Stachelschwein!«
    »Aber ich muß doch bitten,« sagte Hassan gekränkt, »ich bin weder das eine noch das andere. Was das erste ist, weiß ich überhaupt nicht, aber ein Stachelschwein bin ich erst recht nicht. Ich bin Hassan, der Igel.«
    »Das ist mir vollkommen gleichgültig«, lautete die ärgerliche Antwort. Sonst war das Eichhörnchen in der Regel viel

Weitere Kostenlose Bücher