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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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Freude verklärt, als sei ihm ein großes Wunder widerfahren, da er in Traules Herz Gottes unvergängliche Liebe wiederfand, als hätten niemals die Finsternis des Bösen, oder die Armut sie geschmälert, und er verwandelte die Schmerzen Traules in zwei große Flügel, die bis auf den Erdboden niedersanken und ihr Haupt überragten. Von ihrem Glänzen wurde der Wald umher hell, es brach bis hoch empor in die Blätter meiner Krone. Der Engel und Traule flogen miteinander empor in den Morgenwind und verschwanden im Hellen unter den letzten Sternen.
    Schlaft ihr schon, ihr Blumen, meine Lieben? Dies ist Traules Geschichte, bewahrt sie eurem Gemüt, und Traules Herzensgut sei auch euer Frieden.«

Dreizehntes Kapitel
Der Maikäfer

    Der Elf flog auf den grünen Wipfel der Linde, der sich im warmen Wind des schönen Tages sanft schaukelte, und seine Augen durchschweiften das weite Land bis an die Hügel hinüber, die den Horizont säumten. Unter ihm sangen die Vögel, und die Krone der Linde erbrauste von den Völkern der Bienen, ein erklingender grüner Lebensdom, in warmer Freiheit.
    Er schloß seine Augen, von Sommerseligkeit überwunden, und breitete im Wiegen seine Arme aus, als ließe die schimmernde Welt sich umarmen. »Was soll ich tun,« flüsterte er, »was soll ich tun? Ach, ich bin sicher des Glücks nicht wert, das mir geschieht, in meiner Seele ist nicht Raum für die Fülle der Wohltaten, die mir zufallen.«
    Ach, das Lächeln des Elfen möchte ich schildern können! Es war kaum zu sehen, ihr Lieben, wie sollen die freie Kinderherrlichkeit der Freude und die heimatlose Wehmut irdischen Geschicks in ein armes Wort gebracht werden? Wenn man sein helles Angesicht in diesem Leuchten sah, so mußte man unbedingt glauben, daß Gott es mit seinen Geschöpfen unendlich gut meint; es ging nicht anders.
    Als das himmlische Kind nach einer Weile seine Augen aufs neue aufschlug, da war ihm, als sei die Erde mit ihren fernen Hügeln in der Runde ein grüner Kelch und der strahlende Himmel eine große, blaue Blume. Dieses Bild voll Glanz und Stille verwandelte sein Herz auf wunderbare Art, und ihm war zumut, als wäre er einst in seiner tiefsten Jugend so hell gebettet und so wohl geborgen gewesen wie nun. Es ist das Glück, das Glück, dachte er erzitternd, überall schafft es die Heimat. Und er erhob seine Stimme, in der strahlenden Erdenblume seines Traums, wandte sich an die himmlische Sonne und sang:
    Schließ mich wieder ein in deine Freude,
deine Anmut, deinen hellen Sinn,
daß ich mich in deinem Glück bescheide
und empfinde, daß ich glücklich bin;

    Daß ich selig deine Kräfte schaue
und des Herzens Trauer, wie ein Lied,
deiner Stille, deinem Licht vertraue,
deinen Glanz im fröhlichen Gemüt.
    Keine Liebe hat mich überwunden,
so wie deine es am Morgen tut.
Sieh mich offen und zu dir gefunden,
und mach’ meine Seele hell und gut.
    Kaum war das Lied im grünen Glänzen verklungen, da rief jemand dicht neben dem Elfen. »Ausgezeichnet, famos! Sie haben eine Stimme, die sich hören lassen kann, mein Lieber! Sind Sie ein Engel?«
    Der Elf mußte lachen, er konnte nicht anders. Dicht neben ihm saß auf einem Blatt ein Maikäfer und sah ihn mit großen Augen vergnügt an. Aber als er nun den Elfen lachen hörte, klappte er die Fächer seiner braunen Fühler zusammen und runzelte die Stirn.
    »Warum lachen Sie?« fragte er ernst.
    Der Elf grüßte ihn freundlich. »Ich war sehr überrascht,« sagte er, »deine Frage klang so ganz anders als mein Lied. Entschuldige nur, ich meinte es nicht böse.«
    »Erwarten Sie, daß ich meine Frage singe, statt sie zu sprechen?« fragte der Käfer. »Aber wahrscheinlich haben Sie gelacht, weil ich immer noch da bin.«
    »Du bist ja eben erst gekommen.«
    »Nein, ich meine überhaupt. Blühen nicht schon die Linden? Um diese Zeit ist ein anständiger Maikäfer längst in der Erde, legt Eier oder ruht sich aus, je nachdem. Aber ich habe meinen guten Grund, noch zu zögern. Wollen Sie wissen, warum ich trotz der Hitze noch da bin?«
    »O doch,« sagte der Elf, »das ist sicher interessant zu erfahren.«
    »Gewiß, also hören Sie: Man hat mir dort unten auf der Waldwiese gesagt, es hielte sich hier in der Gegend ein Blumenelf auf, und ich möchte ihn kennenlernen. Erstens kommt unsereins nur alle vier Jahre auf die Erdoberfläche, und wie lange ein Elf braucht, ehe er wiederkommt, ist unbekannt. Eine solche Gelegenheit läßt man sich nicht entgehen, verstehen Sie?«
    »Doch,

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