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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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aus der Luft greifen, was er will,« entgegnete der Maikäfer, »aber nicht mich.«
    Der Elf lachte. »Du mußt nicht glauben, mein Lieber, daß ich den Menschen ohne Grund in Schutz nehme, ich kenne ihn gut und liebe ihn sehr.«
    »Nun ja, Sie als Engel ...«
    »Ich bin kein Engel, mein Lieber.«
    »Nun, was sollen Sie denn sonst sein? Fragen Sie übrigens, wohin Sie kommen und wen Sie wollen, überall werden Sie Klagen über den Menschen hören. Gehen Sie zu den Vögeln, den Fischen, den Waldtieren oder den Ameisen, nirgends werden Sie das Lob der Menschen vernehmen. Oft ist mir, als ginge es wie ein Seufzen durch die ganze Kreatur, aber das werden Sie wahrscheinlich nicht verstehen. Ich bin viel nachdenklicher, als Sie glauben.«
    »Doch,« sagte der Elf, »ich verstehe dich, und du hast ganz recht, aber nicht der Mensch ist schuld daran. In jenes Seufzen, das du zu hören glaubst, in die Angst und in den Schmerz aller Kreaturen dringt auch seine Klage, denn er ist, wie ihr alle, den irdischen Geschicken unterstellt und hat gegen Bedrängnisse, Elend und Tod nicht mehr Mittel als ihr. Er erwacht zum zeitlichen Leben, freut sich der himmlischen Sonne, Lachen und Weinen wiegen seine Seele, wie Tag und Nacht seinen Leib, und einst kehrt er zurück ins Dunkel der Erde, der Mutter, wie ihr alle.«
    »Aber etwas muß den Menschen doch von allen anderen Geschöpfen unterscheiden, mein Lieber, wenn denn schon einmal wahr sein soll, daß er nicht schuld an unserem Unglück ist. Ich will es Ihnen glauben. Daß er sterben muß, weiß man ja, das ist bekannt, und wenn die Hauptsache stimmt, dann wird wohl auch das andere richtig sein. Sehen Sie, deshalb hätte ich so gern den Elfen getroffen, der vieles wissen soll, ich würde ihn gefragt haben: Was unterscheidet den Menschen von allen anderen Geschöpfen?«
    »Ich will es dir sagen«, antwortete der Elf. Er sah bewegt in die Weite, denn er hörte ein leises Rauschen in der Linde und dachte an Traule.
    »Sie? Nein, nein, mein Lieber«, entgegnete der Käfer. »Sie als Engel sind parteiisch. Es ist doch bekannt, daß sich die Engel der Menschen annehmen, daß sie gut von ihnen denken und das Beste mit ihnen im Sinn haben.«
    »Glaubst du nicht, daß solche Leute, die das Beste im Sinn haben, die Wahrheit eher wissen als andere?«
    »Also sind Sie doch ein Engel!« rief der Maikäfer triumphierend, und der Elf lachte.
    »Ich bin es nicht,« sagte er, »aber ich will dir nun verraten, wer ich bin; ich hätte es schon getan, wenn du mir Gelegenheit dazu gelassen hättest. Ich bin der Elf, den du suchst.«
    »Nein, so was!« rief der Käfer. Er schaute den Elfen an, und seine Augen glänzten. »Ach nein,« sagte er ganz still, »so ist es mir doch passiert, was ich wollte, wie schön ist das.« Er besann sich und atmete auf: »Hoffentlich nehmen Sie mir die Verwechslung nicht übel«, sagte er schüchtern. Und nach einer Weile des Schauens fuhr er fort: »Nun liegt es ja auch anders mit meiner Frage. Wenn Sie also so freundlich sein wollen und mir antworten?«
    »Ich will es tun, so gut ich kann,« sagte der Elf, »aber du kannst ruhig du zu mir sagen.«
    »Ich werde es versuchen«, antwortete der Käfer.
    Ein paar Bienen kamen in ihre Nähe und grüßten.
    »Ein Elf, ein Blumenelf!« riefen sie. Unten schaukelten sich Schmetterlinge über dem Korn, und hoch im Blauen zog ein großer Raubvogel seine stillen Kreise. Nirgends war ein Wölkchen zu sehen, es war ein unbeschreiblich schöner Tag. Klingen und Jubeln füllte die Luft, die von goldener Wärme flimmerte. »Schöner wird es nicht mehr im Jahr«, sagte der Elf. Es war, als schmiegte er sein helles Angesicht in das Glänzen, das ihn einhüllte, und er faltete die Hände, derweil der Wipfel des alten Baums, sein zartestes Reis im Blauen, ihn wiegte.
    »Sicher weißt du alles Schöne,« meinte der Maikäfer, der ganz entzückt war, je länger er den Elfen betrachtete, »so sprich mit mir vom Menschen. Es ist wahr, ich habe nicht eben Gutes von ihm gesagt, aber du wirst zugeben, er hat auch seine schlimmen Seiten, dieser Große mit den aufrechten Schultern und dem weißen Angesicht. Wir fürchten ihn, verstehst du das nicht? Nicht alle nehmen ihr Geschick mit so viel Humor wie ich.«
    Der Elf schien nicht recht zugehört zu haben; mitten aus seinem Sinnen heraus unterbrach er seinen braunen Nachbarn:
    »Was den Menschen unterscheidet von allen anderen Wesen der Erde, hast du mich gefragt; darüber, Lieber, ist viel nachgesonnen

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