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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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mein Büro«, und
fügte lächelnd hinzu: »Da gibt es immerhin zwei Stühle.«
    Zwei Zimmer weiter fiel Caterina auf, dass der zweite Stuhl so
ziemlich der einzige Unterschied war; dazu kam noch ein größeres Fenster, das
nach hinten auf den Hof hinausging. Der Tisch war ebenso klein wie ihrer. Auch
hier gab es kein Telefon, dafür thronte auf dem Tisch etwas, das Caterina seit
zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte: eine Schreibmaschine. Zwar eine
elektrische, aber doch eine Schreibmaschine. Hätte Caterina eine Frau in
Krinoline und Kniehosen gesehen, wäre sie nicht weniger verblüfft gewesen. Sie
ging dicht heran und betrachtete die Tastatur. Ja, die Buchstaben waren alle
da.
    Signora Salvi, der Caterinas Verblüffung nicht entging, zuckte
resigniert oder entschuldigend die Achseln: »Wir haben keinen Computer mehr,
also muss ich dieses Ding benutzen.« Ihrer Rolle als Gastgeberin eingedenk, zog
sie lächelnd den Stuhl für Caterina unter dem Schreibtisch hervor. Ihren
eigenen schob sie neben den Tisch, so dass die Schreibmaschine nicht zwischen
ihnen stand.
    Beide schwiegen eine Weile, warteten, dass die andere etwas sagte.
Schließlich siegte Caterinas Neugier – Grundschulkinder machten ihre
Hausaufgaben am Computer, Leute arbeiteten im Zug damit. »Wie kommt es, dass
ein Institut wie dieses keinen Computer hat?«
    [25]  Signora Salvi warf einen Blick auf die Schreibmaschine. Als
Caterina sich damit nicht zufriedengab, fügte sie hinzu: »Er wurde gestohlen.«
    »Wie bitte?«
    »Jemand ist nachts hier eingebrochen – vor ungefähr drei Monaten –
und hat den Computer, den Drucker und das Geld aus der Schreibtischschublade
mitgenommen.«
    »Wie sind die reingekommen?«, fragte Caterina.
    »Hier«, sagte Signora Salvi und zeigte auf das wesentlich größere
Fenster in der Rückwand. »Ein Kinderspiel. Vom Hof aus haben sie den
Fensterladen ausgehängt und die Scheibe eingeschlagen. Soweit ich weiß, haben
sie sonst nichts mitgenommen. Aber nur, weil sie in die anderen Räume nicht
reingekommen sind. Die Türen waren alle abgeschlossen.«
    »War die Polizei hier?«, fragte Caterina.
    »Natürlich. Ich habe sofort angerufen.«
    »Und?«
    »Ach, das Übliche«, sagte Signora Salvi, als habe sie tagtäglich mit
der Polizei zu tun. »Erst haben sie unterstellt, ich selbst hätte das getan,
dann meinten sie, das seien Jugendliche gewesen, die Geld für Drogen
brauchten.«
    »Und das war alles?«
    »Sie haben mir geraten, das Fenster zu reparieren«, ereiferte sich
Signora Salvi. »Die haben nicht mal gefragt, was für ein Computer es war, und
Fingerabdrücke haben sie auch nicht genommen. Und überhaupt keine weiteren
Fragen gestellt.« Empört fügte sie hinzu: »Und sie haben niemand sonst im Haus
oder in den angrenzenden Häusern befragt.« Sie tat die Polizei mit einem
Schulterzucken ab und lächelte wieder.
    [26]  »Wie kommst du bloß ohne ihn zurecht?«, fragte Caterina mit einem
Nicken zur Schreibmaschine, als stünde die da zum frommen Gedenken an den
verschwundenen Computer.
    »Im Computer war nicht viel drin«, gab Roseanna zu. »Ich registriere
nur die Neuzugänge an Dokumenten und beantworte die eingehende Post.« Mit
schüchternem Lächeln erklärte sie: »Die Stiftung ist nicht sehr aktiv. Ich bin
hier drei Stunden pro Tag. Und das auch nur für den Fall, dass jemand eine
Auskunft benötigt.« Verlegen ergänzte sie: »Aber hier verirrt sich kaum jemand
her. Na ja, ab und zu schon, aber die stellen keine Fragen, die wollen nur die Bibliothek
benutzen.« Sie sah Caterina prüfend an, die sich vorzustellen versuchte, was
jemand mit einer Bibliothek wie dieser anfangen könnte, und fügte leise hinzu:
»Das sind sehr eigenartige Leute.«
    »Inwiefern?«
    Signora Salvi rutschte auf ihrem Stuhl herum, und Caterina fragte
sich, ob die Vertraulichkeit sie nervös machte oder ob sie nicht schlecht von
den Leuten reden wollte, die in gewisser Weise die Stiftung am Leben erhielten.
Caterina nickte ihr aufmunternd zu.
    »Die sehen aus wie die Leute, die den ganzen Tag in der Marciana
rumhängen. Manche von ihnen kommen wohl nur her, weil hier geheizt wird. Im
Winter. Weil sie es zu uns näher als zur Marciana haben.«
    »Stellen sie Fragen zur Musik?«
    »So gut wie nie. Die meisten wissen gar nicht, was das für eine
Stiftung ist. Ich nehme an, es hat sich herumgesprochen, dass es hier warm ist
und man sich drei Stunden lang [27]  unbehelligt aufhalten kann. Sie kommen
einfach und sitzen hier herum.

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