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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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1. Kapitel
    Ankunft eines Fremden

    In einer Winternacht, so kalt und dunkel, dass in den Kaminen die Feuer gefroren, kam der Schnee nach Albion, sicher verstaut im Koffer eines Fremden. Lettie war die Erste, die den Fremden sah.
    Er kam zu Fuß vom Hafen her, schleifte sein Gepäck – wump, wump, wump – über das Kopfsteinpflaster von Tauschdorf und hielt Ausschau nach dem Schild des Gasthauses Zum Schimmel . In der Essiggasse wurde er schließlich fündig. Das Schild schwang über der Veranda eines auf Stelzen erbauten Hauses im Wind hin und her. Von weit oben, am kleinen Küchenfenster, sah Lettie, die Wirtin, den Fremden kommen.
    Durch ihr Fernrohr konnte sie die lange Spur seiner in den frostüberzogenen Schlamm gestanzten Schritte erkennen. Sie sah, wie er eine Hand auf das Geländer der Leiter legte, die zum Eingang führte, und durch die schwarze, windwirbelnde Nacht zum Anstieg ansetzte. Der Wind war so stark, dass er einem schier die Finger von der Hand hätte abtrennen können, und der Fremde trug keine Handschuhe. Es war der kälteste Winter, den Lettie je erlebt hatte, und der Mann war mit Abstand der kälteste Gast.
    Seine Zähne waren blau.
    Sein Haar war weiß.
    Seine Finger waren blau.
    Das Weiße in seinen Augen war blau, die Pupillen weiß.
    »Ein Mann mit einem Eiszapfenbart«, raunte Lettie Periwinkle zu, der gerade hereingeflogen kam. »Wo sollen wir ihn nur unterbringen? Alle Betten sind belegt.«
    Periwinkle legte den Kopf schief, Lettie seufzte. Für eine Taube konnte Periwinkle erstaunlich gut zuhören, aber unterhalten konnte man sich mit ihm nicht besonders.
    Lettie schob mit einem Schnappen das Fernrohr zusammen und ließ es in ihre Schürzentasche gleiten. Dann ging sie in ihr winziges Wohnzimmer, wo ihre zwei Gäste – eine Frau aus Laplönd und eine Juwelierin aus Bohemien – in zwei Lehnsesseln vor dem Kamin saßen. Ihre echten Namen standen im Gästebuch, aber Lettie nannte sie nur das Walross und die Glotzerin. Die Frau aus Laplönd war das Walross, weil sie sehr dick war und Barthaare hatte, und die Juwelierin hieß Glotzerin, weil sie den ganzen Tag nichts anderes tat, als vor sich hin zu starren. Und so passten Letties erfundene Namen besser zu ihnen als ihre echten.
    »Da kommt jemand«, sagte die klein gewachsene, in sich verschrumpelte Juwelierin. Sie hakte sich die Bügel ihrer dicken Sucherbrille hinter den Ohren ein und klappte dann die Linsen nach unten, um mit tellergroßen Augen darüber hinwegzustarren.
    »Mein Bett kriegt er jedenfalls nicht«, brummte das Walross. Ihr fleischiger Lippenstiftmund schmollte, ihre Schweinsäuglein waren fest zusammengekniffen, das Dreifachkinn schwabbelte empört.
    Lettie kam nicht dazu zu antworten, denn schon flog die Tür auf und der Mann mit dem Eiszapfenbart erschien auf der Schwelle.
    »Ich brauche ein Zimmer«, sagte er. »Und es muss unbedingt eiskalt sein!«
    Sofort schrumpfte das Feuer im Kamin zu kleinen Flämmchen zusammen. Der Wind rauschte herein, und noch bevor sich die Walrossfrau die Ohren mit den Händen bedecken konnte, schnaufte er die winzigen Kerzen an ihren Kandelaber-Ohrringen aus.
    »Ja«, sagte der Fremde sanft. »Das ist wunderbar.«
    Sein Lächeln knirschte, ein Splitter seines Eiszapfenbarts klirrte zu Boden.
    Lettie starrte ihn an. Dann löste sie sich aus der Erstarrung und ging mit wackeligen Knien auf ihn zu, um seinen Koffer zu nehmen.
    Aber der Fremde scheuchte sie mit einer Handbewegung zurück.
    »Weg da«, sagte er finster. »Viel zu anfällig.«
    »Ich bin weder anfällig noch schwach«, erwiderte Lettie. »Ich bin schon zwölf.«
    »Ich rede von meiner Ware!«, keifte der Fremde und deutete mit dem Kopf auf den Mahagoni-Koffer. »Sie ist sehr … empfindlich. Wenn sie kaputtgeht, wirst du sie nicht mehr kaufen wollen. Und dann wäre ich den ganzen Weg hierher umsonst gekommen.«
    »Sir«, sagte Lettie. »Ich weiß ja nicht, was Sie da zu verkaufen haben, aber ich kann mir Ihre Ware so oder so nicht leisten.«
    »Nicht so anmaßend sein!«, schimpfte der Fremde. »Ich erkenne meine Kunden zehn Meilen gegen den Wind.«
    Das Walross und die Glotzerin betrachteten ihn neugierig.
    Lettie verschlug es schier die Sprache. Seit einer Woche hatte sie nichts anderes gehört als:
    »Ich will mehr Zucker in meinen Tee!«
    »Mehr Decken auf die Sessel!«
    »Mehr Holz ins Feuer!«
    Und jetzt stand hier jemand – ein eisiger Mann mit einem Koffer voller Geheimnisse – und behauptete, sie sei seine

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