Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
mutmaßte, das könne etwas damit zu tun haben, dass sie sich selbst hinreißend fänden. Da lag der ansonsten mit den Frauen sonst eher unvertraute Philosoph wohl richtig. Denn auch wenn es hier um eine vielleicht zweifelhafte Form der Selbstliebe geht – richtig ist, dass der Liebe in allen ihren Facetten eine heilende Kraft innewohnt; und dass Verliebte über ein starkes Immunsystem verfügen. „Das grundlegende Prinzip der Medizin ist die Liebe“, sagte schon Paracelsus.
Die medizinische Wissenschaft jedenfalls bestätigt, dass ein Ja zu sich selbst besser ist als Pillen und Tropfen. Gerade erst habe ich im SZMagazin gelesen: „,Zeigt Ihnen Ihre Frau, dass sie Sie liebt?‘ – diese Frage richteten Mediziner an ihre männlichen Patienten. Von denen, die mit ‚Ja‘ antworteten, bekamen nur halb so viele Infarkte im Vergleich zu jenen, die nicht das Gefühl hatten, geliebt zu werden. Und bei Frauen mit Brustkrebs sind die Überlebenschancen höher, wenn sie Rückhalt durch ihren Partner spüren.“ Wenn es auch zu weit führte zu behaupten, Verliebt-Sein sei ein Allerheilmittel – als Immun-Aktivator taugt es allemal zum Kernstück dessen, was man heute Salutogenese nennt.
Was die Neuroimmunologen gerade erforschen, ist eigentlich schon längst bekannt. Der Kirchenvater Irenäus sagte schon im dritten Jahrhundert: „Nihil salvatur, nisi acceptatur“ – nichts wird geheilt, wenn es nicht bejaht wird. Die Psychotherapie hat diese Einsicht tausendfach bestätigt: Ein Ja zu sich selbst, aber genauso auch zu allem, was psychisches Leid verursacht – auch wenn es von anderen verschuldet wurde –, ist das sicherste Mittel zur inneren Heilung. Sogar Traumatisierungen können durch ein liebendes Ja aufgelöst werden – können, müssen aber nicht. Denn wenn Menschen nicht mehr für die Liebe erreichbar sind, wird auch dieses Therapeutikum nicht greifen; so wie jüngst geschehen, als sich Robert Enke das Leben nahm und seine Frau bekümmert feststellen musste: „Wir dachten, unsere Liebe könnte ihn heilen.“
Oha, da bin ich nun ins Dozieren gekommen. Aber du wirst es mir nachsehen. Denn es geht ja tatsächlich um eine spannende Entdeckung, die ich mit dir teilen möchte: Wie nichts sonst wohnt der Liebe die Kraftinne, uns Menschen in Ordnung, ins Gleichgewicht zu bringen, weil sie nichts und niemanden unterdrückt oder verdrängt, weil sie ihre Energie nicht damit verschwendet, sich an etwas abzuarbeiten oder es zu bekämpfen; sondern mit der Kraft dieses Ja, das nur sie aussprechen kann, alles integriert und zusammenfügt – heil macht.
Das beherzte Nein
Der Krieger des Lichts kämpft
manchmal mit denen, die er liebt
.
Paulo Coelho
Hm, habe ich da ein Hüsteln gehört? Einen Einwand, eine Frage? Könnte es sein, dass du zu bedenken geben wolltest, es habe beileibe nicht nur das große Ja gegeben, als du in der Liebe warst, sondern auch ein klares Nein, ein entschiedenes Nein? Das wäre mir aus der Seele gesprochen. Denn tatsächlich erinnere ich mich an dieses Nein. Es war ein Nein zu allem, was unserer Liebe im Wege im stand. Ein beherztes Nein, das sich auch gegen meine schlechten Gewohnheiten richtete und mich dazu brachte, mich zu verändern.
Aber wie passt das zu dem, was ich gerade sagte? Wie gehen das beherzte Nein und das große Ja zusammen? Was ist das für ein Nein?
Es war ein Nein aus Liebe, ein Nein, dem ein Ja innewohnt – das Ja zum geliebten Du, zu sich selbst, zum Leben. Dieses Nein bezog seine Kraft daraus, dass es etwas gab, dem all unsere Liebe und Leidenschaft galt. Und dieses Etwas war gut und schön und sinnvoll. Deshalb konnten wir nicht ertragen, was nicht gut und schön und sinnvoll war. Du warst mir ein Appell, mich selbst und die Welt in Ordnung zu bringen. Und ich war dir eine Aufforderung, das Gleiche zu tun. Durchs bloße Dasein ermahnten wir einander wie Rilkes
Archaischer Apollon
: „Du musst dein Leben ändern.“ – Weil wir unser Leben bejahten, folgten wir diesem Ruf. Und sagten: „Nein, so geht es nicht weiter. Ich höre auf zu rauchen; ich lebe nicht länger allein; ich ziehe in eine andere Stadt.“ Das Leben sollte stimmiger werden, und weil die Liebe uns das Herz erfüllte, konnten wir beherzt einen Wandel vollziehen.
Seither weiß ich: Liebe macht mutig, couragiert. Liebe treibt uns voran. Ganz so, wie es zahllose Liebesgeschichten berichten: Der Mann (traditioneller Weise ist es ein Mann) zieht in den Wald, besteht Gefahren und Prüfungen, riskiert
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