Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
Dichter die völlig unerwartete Liebe besungen haben, die gleichsam vom Himmel gefallen schien.
Um mich in dich zu verlieben, musste ich nichts leisten, sondern etwas lassen – etwas zulassen. Ich ließ mich hinreißen, ich ließ mich gehen, ich ließ mich fallen: hinein in die Liebe, hinein die Schönheit, hinein in das Leben, hinein in mein Glück. Trotzdem kreisten Fragen durch mein Hirn: Warum gerade sie? Warum gerade ich? Warum gerade wir? Warum nicht eine andere, die ich auch irgendwie gut fand? – Weißt du was, dazu hat dein alter Philosoph eine Theorie! Darf ich?
Also, noch mal zu Aphrodite – und zu Anchises. Was sagt doch der Hirtenbursche: „Heil, o Herrin! Wer von den Seligen naht meinem Hause?“ Anchises, der sich hier gerade verliebt, erkennt in dieser Frau, die vor ihm steht, eine Göttin. Was ist eine Göttin? – Eine Göttin ist eine vollkommene Erscheinung. Oder besser: Sie ist die Erscheinung des Vollkommenen. Anchises sieht vor sich eine Verkörperung des Lebens, so wie es idealerweise ist. Er erkennt mit den Augen des frisch geöffneten Herzens in Gestalt jener strahlend schönen Frau das, was ihm am meisten fehlt und wonach er sich am meisten sehnt, nämlich Vollkommenheit, Harmonie, innere Stimmigkeit – Ganzheit.
Und nun kann er „Ja“ sagen; ohne Wenn und Aber. Nicht zu etwas, das er sich selbst erworben hätte. Nicht zu dem Lohn seiner Mühen, sondern zu einem Geschenk, dessen Schönheit ihn hinreißt – zu einem Geschenk, das unverhofft in sein Leben leuchtet und es in ein ganz anderes Licht taucht. Das Licht der Liebe, in dem alles sinnvoll und schön, gut und stimmig erscheint; so dass nichts mehr anders sein muss; so dass wir es gut sein lassen können; so dass wir glücklich sind.
Ich bin mir sicher: Wir können der Liebe vertrauen. Ihr wohnt eine große Intelligenz inne und eine glasklare Sicht auf die Dinge. Man sagt, die Liebe mache blind. Das stimmt aber nicht. Was blind macht, sind unsere Schatten, die Begehren und Verlangen in die Verliebtheit mischen. Sie kommen aus den Verstrickungen und Verschattungen unseres Ego. Aber die Liebe, in der wir den Geliebten oder die Geliebte erkennen und darin die seelische Verbundenheit mit allem erahnen, diese Klarheit der Liebe ist alles andere als verblendet. Im Gegenteil: Sie erleuchtet uns. Sie lässt uns etwas von der einen, tiefen Wahrheit erkennen und das Göttliche auf Erden erahnen – die Göttin in der Geliebten, den Gott in dem Geliebten.
Manchmal frage ich mich, wie es wohl wäre, wenn wir in allem die Schönheit des Göttlichen gewahrten und uns dem Leben, den Menschen, Gott und der Welt liebevoll zuwenden könnten? Wie intensiv und kraftvoll das Leben wäre! Wie schön und begeisternd! Das Leben wäre ein Fest! So wie es mit dir ein Fest war.
Das große Ja
Die lautere, schiere Bejahung ist, so
scheint es, allein in der erotischen Liebe
realisiert
.
Josef Pieper
Du warst schön. Und du wurdest von Tag zu Tag schöner. Du musstest gar nichts dafür tun. Du brauchtest keine Kosmetik. Dein volles Herz war dir Kosmetik genug. Weil die Welt für dich in Ordnung war –
en kosmó
, wie die Griechen sagten. Du warst in Harmonie mit dir selbst und mit der Welt. Das machte dich schön und ließ deine Seele heil und gesund erscheinen. Und auch mir ging es gut wie nie. Das Leben stimmte.
„Liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest“, lautet der Titel eines Buches von Eva-Maria Zurhorst. Für mein Lebensmotto „Verliebe dich in ins Leben“ möchte ich diesen Satz varieren: „Liebe dich selbst, und lass dich gut sein! Sag Ja zu dir, nimm dich an – in allem, auch in deinen Schattenseiten. Nimm auch sie an, nimm auch sie an dein Herz, umspüle auch sie mit der Liebe, in die du gefallen bist. Es wird dir nicht schwerfallen. Denn wenn du in der Liebe bist, dann fließt sie nicht nur nach außen, sie fließt auch zu dir selbst zurück.“
Leuchtet dir das ein? Erinnerst du dich daran, wie es sich anfühlte, als dein Liebster dich liebkoste? Erinnerst du dich daran, wie seine Liebe zu dir auch deine Liebe zu dir selbst erwachen ließ? Und wie du Ja zu dir sagen und dich annehmen konntest? Du fühltest dich in Ordnung und konntest dich gut sein lassen. Du fandest dich schön. Und du warst es.
Das war auch heilsam. Nietzsche hat einmal gesagt, er wundere sich immer, dass junge Frauen in leichter Garderobe keine folgenschweren Erkrankungen davontragen, wenn sie bei kalter Witterung ins Theaterschreiten. Und er
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